ÖH-Kurse sorgen für Wirbel
Die Studienvertretung der Wirtschaftsuniversität Wien (ÖH WU) bietet kostenpflichtige Zusatzkurse für schwere Prüfungen an. Österreichweit macht das keine andere Studienvertretung. Private Kursanbieter sprechen von Wettbewerbsverzerrung.
Wien – Offiziell heißen sie VWLSteop oder AMC 2. Aber man kann sie auch einfach Knock-out nennen. Gemeint sind einzelne Prüfungen an der Wirtschaftsuniversität Wien, kurz WU, die für ihre hohen Durchfallquoten bekannt sind. Viele Studierende verlassen sich bei der Vorbereitung daher nicht auf den Besuch der Lehrveranstaltung und eigenständiges Lernen.
Sie buchen zusätzliche Kurse zur Prüfungsvorbereitung. Die werden von der Studierendenvertretung, der ÖH WU, angeboten. Sie kosten zwischen 40 und 60 Euro für mehrere Einheiten mit einem externen Kursleiter. Sie finden am Tagesrand oder Wochenende statt, und zwar – praktisch – direkt in den Hörsälen der Uni.
Es gab in der Vergangenheit auch private Anbieter für Zusatzkurse. Zum Beispiel Alexander Pölmann. Er hat mit einem Kollegen den Online-Videokursanbieter Lecturize gegründet, der unter anderem auf WU-Prüfungen vorbereitet. Lecturize bot daneben eine Zeitlang auch Face-to-Face-Kurse – also vor Ort mit Kursleiter – an. Dass sie diese Kurse nicht mehr anbieten, habe „ausschließlich damit zu tun, dass die ÖH-Kurse so billig sind“. Es sei „praktisch unmöglich“bei den niedrigen Preisen der ÖH-Kurse konkurrenzfähig zu sein. Weiters fanden die Kurse nicht direkt auf dem Campus statt, die Studenten mussten „irgendwo hinfahren“. Auch Stefan Aggarwal fragte sich, wie die ÖH ihre Kurse so billig anbieten kann.
Aggarwal gründete vor einigen Jahren einen ähnlichen Videokurs-on-Demand-Service, Study- boxx, allerdings ausschließlich für die erste Mathematikprüfung auf der WU. Im Jahr 2013, als Studyboxx noch nicht so gut lief, überlegte er, auch Vor-Ort-Kurse an der WU anzubieten, um die Bekanntheit seines Services zu steigern. Er stolperte über eine Preisliste für Raumvermietungen auf dem Campus. Und staunte.
Einen Tag das Audimax, den größten Hörsaal der WU mit 650 Plätzen, zu mieten, kostete damals für „Externe“3900 Euro, für Interne allerdings nur ein Viertel des Preises, 975 Euro. Aggarwal und andere private Anbieter wie Lecturize glauben, dass die ÖH Räumlichkeiten auf dem Campus zu den günstigen „Internen“-Konditionen mietet und so einen Wettbewerbsvorteil hat.
Warten auf Buchhaltung
Der ÖH-WU-Vorsitzende Lukas Fanninger kann das auf Anfrage des Standard weder dementieren noch bestätigen. Die Buchhaltung der ÖH sei noch zwei Wochen auf Urlaub. Die ÖH ermögliche den Studierenden mit dem zusätzlichen Kursangebot ein faires, schnelles und qualitätsvolles Studium, betont Fanninger. 2017 veröffentlichte die WU nur noch die Mietkosten für „Externe“. Sie betragen mittlerweile fürs Audimax 4290 Euro.
An diesem Punkt stellt sich für die privaten Kursanbieter Aggarwal und Pölmann eine grundsätzliche Frage: Wieso bietet die ÖH WU als Studienvertretung überhaupt kostenpflichtige Kurse an? Laut Aggarwal mache das österreichweit keine andere Studienvertretung, es sei auch nicht in derem gesetzlichen Aufgabenbereich. Auch für Pölmann ist die Si- tuation an der WU „einzigartig“. Er habe noch nirgendwo, weder in Österreich noch in Deutschland, ähnliche Strukturen gesehen.
Die ÖH WU machte – laut letztem Prüfungsbericht – rund 311.000 Euro Umsatz mit den Zusatzkursen. Buchen kann man sie nicht direkt über die ÖH, sondern über die externe Plattform Welthandelsplatz.at der Firma Marblehouse. Deren Geschäftsführer war bis 2013 der ehemalige ÖH-WUVorsitzende Benedikt Rettenbacher. Wie kam die Firma zu diesem Auftrag? Laut derzeitigem ÖH-WU-Vorsitzenden Fanninger habe man das vor einigen Jahren ausgeschrieben. Die Verträge würden noch einige Jahre weiterlaufen.
Studyboxx, Lecturize und weitere private Kursanbieter, mit denen der Standard sprach, wollen aus zeitlichen und finanziellen Gründen nicht rechtlich gegen die derzeitige Situation vorgehen. Vielleicht auch aus politischen: Benedikt Rettenbacher ist – Stand 19. Juli – Fachreferent im Büro des Wissenschafts- und Wirtschaftsministers Harald Mahrer.