Der Standard

Große Nervosität im Baltikum und in Polen

Litauens Außenminis­ter: „Gefährlich­es Säbelrasse­ln muss aufhören“

-

Im Baltikum herrscht gespannte Stimmung: Die litauische Führung hat Russland dazu aufgerufen, das Truppenman­över „West“(Sapad 2017) abzusagen. Litauens Außenminis­ter Linas Linkeviciu­s zeigte sich „besorgt“. Moskau hat 4000 atomwaffen­fähige Trägersyst­eme nach Weißrussla­nd und an die Grenzen des Baltikums verlegt. Dieses „gefährlich­e Säbelrasse­ln muss aufhören“, sagte er.

Ähnliche Ängste werden in Riga und Tallinn artikulier­t: Der lettische EU-Abgeordnet­e Artis Pabriks kritisiert­e den „aggressive­n Charakter der Manöver“und meinte, Russland isoliere sich damit weiter. Die estnische Tageszeitu­ng Postimees schimpfte, der beschworen­e reine Verteidigu­ngscharakt­er der Übung sei „erlogen“. Das gehe schon aus dem Szenario hervor, in dem die fiktiven Feindstaat­en Vaišnorija, Wesbarija und Lubenija genannt werden. Es sei wohl kein Zufall, dass der Chef des litauische­n Generalsta­bs Vitalijus Vaikšnoras heiße, mutmaßt das Blatt. Wesbarija sei dem litauische­n Namen Vizbaras entlehnt, Lubenija leite sich von einem lettischen Flussnamen ab.

Wenn Russland die Übung als Antiterror­kampf bezeichne, dann erkläre es die Nato zur Terrororga­nisation, mahnte der estnische Parlamenta­rier und General a. D. Ants Laaneots. Selbst wenn das Manöver keine direkte Bedrohung darstelle, so übe Moskau doch den Überfall auf seine Nachbarn, sind Militärexp­erten überzeugt.

Kurz vor Beginn des Manövers analysiert auch das polnische Nachrichte­nmagazin Polityka die „Übungen aus der Tarnung“. An- ders als seit Monaten vom Westen spekuliert, werde aber das Manöver viel bescheiden­er ausfallen als erwartet, da russische Soldaten ohnehin seit Jahren den Angriff auf den Westen trainierte­n.

Manöver-Ballon

Auch im Nato-Hauptquart­ier in Brüssel ist Nervosität zu spüren. Für Irritation­en sorgte die von Moskau offiziell angegebene niedrige Zahl der Truppenstä­rke. Noch 2016 hatte Russlands Verteidigu­ngsministe­r angesichts des Nato-Manövers Anakonda 16 in Polen, an dem 31.000 Soldaten teilnahmen, eine „strategisc­he Antwort“angekündig­t.

Letztlich, so Marek Swierczyns­ki, Sicherheit­sexperte des Thinktanks von Polityka, gehe es darum, den im Westen auf bis zu 100.000 Teilnehmer aufgeblase­nen Manö- ver-Ballon platzen zu lassen: „Seht her“, könne dann Moskau sagen, „wir halten uns an alle offiziell angegeben Zahlen, und der Westen, der in Wirklichke­it uns angreifen will, sät in der eigenen Bevölkerun­g Panik.“

Wichtiger als Sapad 2017 seien aber die 124 Manöver, die Russland seit 2015 regelmäßig in einer Truppenstä­rke von etwa 1500 Mann durchgefüh­rt habe. Beunruhige­nd sei auch, so Swierczyns­ki, dass sich die Zahl der russischen Soldaten direkt an der russischen Grenze zur Ukraine und der weißrussis­chen zu Polen und Litauen von 2015 bis heute auf dauerhaft 300.000 erhöht habe.

Gefährlich könne das aktuelle Routine-Manöver Russlands aber nur dann werden, wenn man den Dialog mit Moskau gänzlich abbrechen würde. (ab, gl)

 ?? Foto: AP / Ivan Sekretarev ?? Martialisc­he Szenen einer russischen Militärübu­ng.
Foto: AP / Ivan Sekretarev Martialisc­he Szenen einer russischen Militärübu­ng.

Newspapers in German

Newspapers from Austria