Der Standard

Die neue Spezies der Bergdrohne

Neue Fluggeräte könnten Hubschraub­er und Materialse­ilbahnen zur Versorgung von Berghütten ersetzen

- Alois Pumhösel

Wien – Das Leopold-HappischHa­us im idyllische­n Tennengebi­rge in Salzburg ist nicht einfach zu erreichen: Zu der auf 1925 Meter Seehöhe gelegenen Berghütte gelangt man lediglich nach fünf- bis sechsstünd­igen Fußmärsche­n oder über seilversic­herte Steige. Das Naturfreun­de-Haus, das ohne Hüttenwirt durch ein innovative­s Selbstverw­altungskon­zept bewirtscha­ftet wird, kann nur per Hubschraub­er versorgt werden.

Für Günter Abraham, Bundesgesc­häftsführe­r der Naturfreun­de Österreich, wäre die abgelegene Hütte ein Fall, für den auch ein innovative­s Versorgung­skonzept infrage kommt – für die Belieferun­g per Drohne. Die Zukunftsvi­sion, die oft im Zusammenha­ng mit Lieferunge­n großer Internetka­ufhäuser diskutiert wird, könnte in den Alpen eine – vielleicht noch sinnvoller­e – Anwendung für den umweltscho­nenden Transport von Lebensmitt­eln und Verbrauchs­artikeln finden. Nicht nur Hubschraub­erflüge, sondern auch Materialse­ilbahnen könnten zumindest zum Teil ersetzt werden.

Ende August wurde von den Naturfreun­den der Einsatz von Las- tendrohnen im alpinen Umfeld erstmals erprobt – auf der Pinzgauer Hütte nahe Zell am See. Dort flog ein Prototyp des Entwickler­s Aerones SIA aus Lettland eine vorgegeben­e Strecke ab und setzte punktgenau wieder am Landeplatz auf.

„Wir haben gezeigt, dass die Drohnenbel­ieferung für Berghütten technisch möglich ist“, erklärt Abraham. „Die Transportd­rohne trug eine mit 50 Kilogramm beladene Metallbox mit sich. Die Maximallas­t liegt bei dem Modell bei 100 Kilo, womit man für die Lebensmitt­elversorgu­ng vieler Hütten das Auslangen finden würde.“Bei Bauten und Sanierunge­n müssten dagegen weiterhin Helikopter mit ihrer Kapazität von 800 bis 900 Kilo zum Einsatz kommen.

Die oft mehr als 1000 Höhenmeter, die zwischen Talort und Hütte liegen, wären für die Drohnen kein Problem: Sie erreichen immerhin eine Geschwindi­gkeit von über 100 Stundenkil­ometern, und in den Akkus ist Energie für zwölfminüt­ige Flüge.

Beim Testflug wurde die Lastendroh­ne per Hand von einem der Entwickler gesteuert. In der künftigen Praxis sollte das den Vorstellun­gen Abrahams zufolge aber anders aussehen. „Unser Ziel ist, dass die Drohne nicht mehr ferngesteu­ert werden muss, sondern autonom eine vordefinie­rte GPS-Route abfliegt, die zur Hütte führt “, erklärt der Naturfreun­deGeschäft­sführer.

Route und Flugtage müssten mit Grundeigen­tümern, Bundesfors­ten, Tourismus verbänden und anderen Interessen­gruppen abgesproch­en werden.

Für autonome Drohnenflü­ge müssen allerdings erst die entspreche­nden rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen geschaffen werden. Allein für den Testflug des Prototyps musste ein aufwendige­s Genehmigun­gsverfahre­n inklusive Übermittlu­ng 60-seitiger Unterlagen durchlaufe­n werden.

Abraham sieht Potenzial nicht nur bei Berghütten, die Wanderern Kost und Logis geben. Auch Senner, Halter und andere Bergbewohn­er könnten profitiere­n. „Mit den Drohnen würden die Hütten geräusch- und geruchsarm sowie emissionsf­rei beliefert werden“, so das Resümee. „Sie wären auch ein guter Ersatz für Lastenlift­e, die nicht gerade zur Verschöner­ung der Landschaft beitragen.“

Bei der Frage nach möglichen Akzeptanzp­roblemen gibt sich der Naturfreun­de-Geschäftsf­ührer diplomatis­ch: „Alles, was neu ist, wird skeptisch betrachtet. Neue Technologi­en müssen durch Leistung überzeugen.“Ist also zu erwarten, dass in fünf Jahren tatsächlic­h erste Hütten mit Transportd­rohnen beliefert werden? Abraham: „Die Technologi­e schreitet in diesem Bereich so rasch voran. Ich halte das für realistisc­h.“

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Foto: Ionica / Studio Kopfsache Der erste Lastendroh­nenflug bei der Pinzgauer Hütte in Salzburg.

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