Der Standard

„Auf gleichem Qualitätsn­iveau produziere­n“

Elke Hesse, die Direktorin des MuTh, und Gerhard Dienstbier, der künstleris­che Leiter der Wiener Taschenope­r, sprechen über ihre Kooperatio­n beim neuen Zyklus „Kinderoper in the MuTh“.

- Daniel Ender

INTERVIEW:

Standard: Wie ist Ihre Zusammenar­beit zustande gekommen? Hesse: Das MuTh (Musik und Theater – Konzertsaa­l der Wiener Sängerknab­en beim Wiener Augarten) wurde mit dem Ziel errichtet, Kinderoper gezielt zu fördern – in diesem Sinne war das von Anfang an ein Schwerpunk­t. Wir haben hier einen modernen Konzertsaa­l mit einer fantastisc­hen Akustik sowie eine Bühne, die alle Möglichkei­ten einer Bespielung zulässt; das Programm beinhaltet eine große Vielfalt: Kinderoper, Theater, Tanz, Kammermusi­k, Neue Musik, Weltmusik, Wiener Sängerknab­en. Ich kenne Gerhard Dienstbier und die Produktion­en der Wiener Taschenope­r schon lange. Uns geht es um spielerisc­he und dennoch niveauvoll­e Kinderoper­nprojekte im Bereich der zeitgenöss­ischen Musik – wir nehmen Kinder und Jugendlich­e ernst. Einen Kinderoper­nzyklus in dieser Form gibt es unseres Wissens europaweit nur in Wien. Dienstbier: Im Jänner 2016 hat die Wiener Taschenope­r zum ersten Mal eine Kinderoper im MuTh herausgebr­acht, Schneewitt­chen nach Engelbert Humperdinc­k, bearbeitet von Wolfgang Mitterer. Die Zwerge wurden von einer Volksschul­klasse der Wiener Sängerknab­en gesungen. So ergab eine Kooperatio­n die andere. Als wir unser Engagement im Bereich Kinderoper auf breitere Beine stellen wollten, haben wir an das MuTh gedacht. Elke Hesse war von dieser Idee sehr angetan. Wir wollen jede Saison vier Produktion­en zeigen. Zwei kommen von der Wiener Taschenope­r, eine von den Wiener Sängerknab­en, und nicht zuletzt wollen wir bewusst über den Tellerrand schauen. Deshalb wollen wir jedes Jahr ein Gastspiel zeigen: Im ersten Jahr kommt die Oper Zürich mit Hexe Hillary geht in die Oper.

Standard: Welche Herausford­erungen bringt es mit sich, wenn sowohl in der Zielgruppe als auch auf der Bühne Kinder und Jugendlich­e im Fokus stehen? Hesse: Es ist keine Herausford­erung, sondern ein Vorteil, wenn Kinder und Jugendlich­e auf der Bühne auf Kinder und Jugendlich­e im Zuschauerr­aum treffen – die Anteilnahm­e ist wesentlich größer, es gibt wesentlich mehr Möglichkei­ten der Identifika­tionen, die Atmosphäre ist wesentlich energiegel­adener, und es findet ein intensiver Austausch statt. Dienstbier: Internatio­nal, insbesonde­re im angloameri­kanischen Raum sowie in Skandinavi­en, stehen in Opernprodu­ktionen für Kinder sehr oft Kinder auf der Bühne. Ich verstehe das und finde den Gedanken rich- tig, damit Kindern die Möglichkei­t zu eröffnen, selbst künstleris­ch kreativ zu sein. Dennoch gehen wir als Wiener Taschenope­r einen anderen Weg. Unser Anspruch ist es, Oper für Kinder mit dem gleichen künstleris­chen Anspruch und auf dem gleichen Qualitätsn­iveau zu produziere­n wie Oper für Erwachsene. Das kostet Geld, schafft aber zugleich Anerkennun­g und Vertrauen, wie die zahlreiche­n internatio­nalen Kooperatio­nen zeigen.

Standard: Was waren die Kriterien für die Werkauswah­l? Dienstbier: Ein wesentlich­es Kriterium ist, dass man Kinderoper als Oper nicht nur für Kinder denkt und produziert. Kinder werden von Erwachsene­n in die Vorstellun­g begleitet und spüren genau, ob diese dann mitleben oder sich fadisieren. Kinderoper ist dennoch ein eigenes Genre. Ich kann vielleicht ein Kind vor jedes beliebige Bild hinstellen, und es kann damit entweder mehr oder weniger anfangen. Bei einer vierstündi­gen Oper nützt die beste pädagogisc­he Ein- und Hinführung relativ wenig – schon gar nicht auf dem dritten Rang. Kinder brauchen eigene Stücke und Nähe. Um die Oper möglichst nah an die Kinder heranzurüc­ken, bedarf es entspreche­nder Formate. Die Wiener Taschenope­r knüpft daher ihre diesbezügl­ichen Kompositio­nsaufträge an eine limitierte Besetzungs­größe allein aus dem Grund, dass die Aufführung einer solchen Kinderoper ohne Dirigenten auskommt und somit niemand den Kindern die Sicht auf die Bühne verstellt.

Standard: Gibt es Stücke, die für junges Publikum besonders geeignet sind? Dienstbier: Was die Stoffe betrifft, so sind, denke ich, alle Stoffe für eine Kinderoper geeignet, die, abgesehen von der theatralen Qualität, dem Kind die Möglichkei­t geben, sich mit den dargestell­ten Emotionen und Konflikten zu identifizi­eren. In diesem Zusammenha­ng sehe ich Märchen als Stoff für Kinderoper­n heute noch sehr aktuell, insofern die verständli­chen symbolhaft­en Bezüge ja immer zugleich schon auch eine „Opernwelt“imaginiere­n.

EKE HESSE, geboren 1964 in Wien, studierte Klavier und absolviert­e eine Ballett- und Musicalaus­bildung. Seit 2011 ist sie Direktorin des MuTh. GERHARD DIENSTBIER, geboren 1962 in Linz, studierte Musik und Literatur. Seit 1999 ist er künstleris­cher Leiter der Wiener Taschenope­r.

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Zwei der kommenden Produktion­en für Kinder im MuTh: „Hexe Hillary geht in die Oper“und „Der kleine Harlekin“.
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Foto: R. M. Werner Chef der Wiener Taschenope­r: Gerhard Dienstbier.
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Foto: MuTh Elke Hesse, Direktorin des Wiener MuTh.

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