„Auf gleichem Qualitätsniveau produzieren“
Elke Hesse, die Direktorin des MuTh, und Gerhard Dienstbier, der künstlerische Leiter der Wiener Taschenoper, sprechen über ihre Kooperation beim neuen Zyklus „Kinderoper in the MuTh“.
INTERVIEW:
Standard: Wie ist Ihre Zusammenarbeit zustande gekommen? Hesse: Das MuTh (Musik und Theater – Konzertsaal der Wiener Sängerknaben beim Wiener Augarten) wurde mit dem Ziel errichtet, Kinderoper gezielt zu fördern – in diesem Sinne war das von Anfang an ein Schwerpunkt. Wir haben hier einen modernen Konzertsaal mit einer fantastischen Akustik sowie eine Bühne, die alle Möglichkeiten einer Bespielung zulässt; das Programm beinhaltet eine große Vielfalt: Kinderoper, Theater, Tanz, Kammermusik, Neue Musik, Weltmusik, Wiener Sängerknaben. Ich kenne Gerhard Dienstbier und die Produktionen der Wiener Taschenoper schon lange. Uns geht es um spielerische und dennoch niveauvolle Kinderopernprojekte im Bereich der zeitgenössischen Musik – wir nehmen Kinder und Jugendliche ernst. Einen Kinderopernzyklus in dieser Form gibt es unseres Wissens europaweit nur in Wien. Dienstbier: Im Jänner 2016 hat die Wiener Taschenoper zum ersten Mal eine Kinderoper im MuTh herausgebracht, Schneewittchen nach Engelbert Humperdinck, bearbeitet von Wolfgang Mitterer. Die Zwerge wurden von einer Volksschulklasse der Wiener Sängerknaben gesungen. So ergab eine Kooperation die andere. Als wir unser Engagement im Bereich Kinderoper auf breitere Beine stellen wollten, haben wir an das MuTh gedacht. Elke Hesse war von dieser Idee sehr angetan. Wir wollen jede Saison vier Produktionen zeigen. Zwei kommen von der Wiener Taschenoper, eine von den Wiener Sängerknaben, und nicht zuletzt wollen wir bewusst über den Tellerrand schauen. Deshalb wollen wir jedes Jahr ein Gastspiel zeigen: Im ersten Jahr kommt die Oper Zürich mit Hexe Hillary geht in die Oper.
Standard: Welche Herausforderungen bringt es mit sich, wenn sowohl in der Zielgruppe als auch auf der Bühne Kinder und Jugendliche im Fokus stehen? Hesse: Es ist keine Herausforderung, sondern ein Vorteil, wenn Kinder und Jugendliche auf der Bühne auf Kinder und Jugendliche im Zuschauerraum treffen – die Anteilnahme ist wesentlich größer, es gibt wesentlich mehr Möglichkeiten der Identifikationen, die Atmosphäre ist wesentlich energiegeladener, und es findet ein intensiver Austausch statt. Dienstbier: International, insbesondere im angloamerikanischen Raum sowie in Skandinavien, stehen in Opernproduktionen für Kinder sehr oft Kinder auf der Bühne. Ich verstehe das und finde den Gedanken rich- tig, damit Kindern die Möglichkeit zu eröffnen, selbst künstlerisch kreativ zu sein. Dennoch gehen wir als Wiener Taschenoper einen anderen Weg. Unser Anspruch ist es, Oper für Kinder mit dem gleichen künstlerischen Anspruch und auf dem gleichen Qualitätsniveau zu produzieren wie Oper für Erwachsene. Das kostet Geld, schafft aber zugleich Anerkennung und Vertrauen, wie die zahlreichen internationalen Kooperationen zeigen.
Standard: Was waren die Kriterien für die Werkauswahl? Dienstbier: Ein wesentliches Kriterium ist, dass man Kinderoper als Oper nicht nur für Kinder denkt und produziert. Kinder werden von Erwachsenen in die Vorstellung begleitet und spüren genau, ob diese dann mitleben oder sich fadisieren. Kinderoper ist dennoch ein eigenes Genre. Ich kann vielleicht ein Kind vor jedes beliebige Bild hinstellen, und es kann damit entweder mehr oder weniger anfangen. Bei einer vierstündigen Oper nützt die beste pädagogische Ein- und Hinführung relativ wenig – schon gar nicht auf dem dritten Rang. Kinder brauchen eigene Stücke und Nähe. Um die Oper möglichst nah an die Kinder heranzurücken, bedarf es entsprechender Formate. Die Wiener Taschenoper knüpft daher ihre diesbezüglichen Kompositionsaufträge an eine limitierte Besetzungsgröße allein aus dem Grund, dass die Aufführung einer solchen Kinderoper ohne Dirigenten auskommt und somit niemand den Kindern die Sicht auf die Bühne verstellt.
Standard: Gibt es Stücke, die für junges Publikum besonders geeignet sind? Dienstbier: Was die Stoffe betrifft, so sind, denke ich, alle Stoffe für eine Kinderoper geeignet, die, abgesehen von der theatralen Qualität, dem Kind die Möglichkeit geben, sich mit den dargestellten Emotionen und Konflikten zu identifizieren. In diesem Zusammenhang sehe ich Märchen als Stoff für Kinderopern heute noch sehr aktuell, insofern die verständlichen symbolhaften Bezüge ja immer zugleich schon auch eine „Opernwelt“imaginieren.
EKE HESSE, geboren 1964 in Wien, studierte Klavier und absolvierte eine Ballett- und Musicalausbildung. Seit 2011 ist sie Direktorin des MuTh. GERHARD DIENSTBIER, geboren 1962 in Linz, studierte Musik und Literatur. Seit 1999 ist er künstlerischer Leiter der Wiener Taschenoper.