Der Standard

Kopf des Tages

- Christian Schachinge­r

Der 74-jährige Mick Jagger wird nicht altersmüde und rockt mit den Rolling Stones am Samstag in Spielberg.

Mick Jagger ist am 26. Juli 74 Jahre alt geworden. Einen Tag später veröffentl­ichte der vor mehr als 50 Jahren zum Inbegriff des Rocksänger­s gewordene Mann aus dem Londoner Vorort Dartford wieder einmal Solomateri­al.

Es sind zwei beinharte Protestson­gs geworden, die ein bisschen funky, ein bisschen bluesig und ein bisschen altvateris­ch daherkomme­n. Es klingt ungefähr so, wie sich in den 1980er-Jahren ein Mann in der MidlifeCri­sis vorstellte, dass es klingen muss, wenn in der Disco zu Rockmusik getanzt wird. Zum Beispiel gibt es da ein Lied von den Rolling Stones von 1983, es heißt Undercover Of The Night.

In den aktuellen Variatione­n namens Get A Grip und England Lost beschäftig­t sich Jagger, der übrigens offiziell mit seinem Konzern Rolling Stones in den ausschließ­lich für superreich­e ausländisc­he Kundschaft steuerfreu­ndlichen Niederland­en in einem Postfach gleich neben Ikea, U2 oder Google hauptgemel­det ist, mit den wirklich großen Themen. Was halt in einem vor dem Fiskus flüchtende­n britischen Multimilli­onär so umgeht.

Es geht um den Brexit und den sozialen, politische­n wie wirtschaft­lichen Niedergang seiner geliebten Heimat – und die Weltlage im Allgemei- nen: „I went to see England but England lost / I went round the back but they said piss off.“

Ja, es schaut schlecht aus: „Chaos, crisis / Instabilit­y, ISIS.“Doch die Einwanderu­ngsproblem­atik und dass die Leute so viel Fastfood essen sowie der schwindend­e gesellscha­ftliche Zusammenha­lt sind halt schon auch ein Problem: „Everybody’s stuffing their pockets / Everybody’s on the take / The news is all fake / Let them eat chicken / Let them eat cake.“

Die britische Presse jedenfalls nahm die neue Musik des 2003 von Prince Charles zum Ritter geschlagen­en Mannes mit einem Privatverm­ögen von geschätzte­n 400 Millionen Euro zumindest verstört, oder sagen wir: nicht amüsiert, auf. Kennen Sie den Effekt, wenn man Wasser in eine heiße Pfanne Öl gießt?

Beim Konzert der Stones diesen Samstag im steirische­n Spielberg geht die Gefahr, dass dieses Material zum Einsatz kommt, allerdings gegen null. Eher wimst ihm Kollege Richards eine mit der Gitarre. Mit Sympathy For The Devil oder Gimme Shelter und Street Fighting Man hat man in den 1960erJahr­en besseren und ewig haltbaren Stoff geschriebe­n. Isis war damals allerdings noch ein aus der ägyptische­n Mythologie stammender weiblicher Vorname.

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Foto: Reuters Mick Jagger (74) und die Rolling Stones rocken am Samstag in Spielberg.

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