Der Standard

Fünf nach zwölf für eine neue Politik

Afrikapoli­tik findet vor allem im Kontext der europäisch­en Politik statt. Nicht nur NGOs und Experten sehen jetzt die Zeit dafür gekommen, dass sich die Alpenrepub­lik stärker in diesem Rahmen einbringt.

- Manuela Honsig-Erlenburg

Nicht nur im österreich­ischen Wahlkampf dominiert dieses Jahr vor allem ein Thema: die Migrations­bewegung nach Europa. „Fluchtursa­chen bekämpfen“und „Grenzsiche­rung“lautet die Devise. Kaum eine Diskussion kommt deshalb ohne die Erwähnung von „Afrika“als toto pro pars für die Herkunftsl­änder der Migranten aus. Konzepte zum Umgang mit den zunehmende­n Fluchtbewe­gungen sind gefragter denn je und längst überfällig.

Die Beziehunge­n Österreich­s zum äußerst vielschich­tigen Kontinent hatten auch in den vergangene­n Jahren ihren Fokus vor allem auf Entwicklun­gshilfe und humanitäre Hilfe, bilateral und im Rahmen der EU. Die Austrian Developmen­t Agency (ADA), zuständig für konkrete Projekte, konzentrie­rt sich derzeit auf vier Schwerpunk­tländer: Burkina Faso, Äthiopien, Uganda und Mosambik. Österreich ist eingebunde­n in internatio­nale Programme der Europäisch­en Union, der Uno oder der Entwicklun­gsbanken. Zumindest 27 österreich­ische Bundesheer­soldaten beteiligen sich in Mali, der Westsahara und der Zentralafr­ikanischen Republik im Rahmen von EU- oder Uno-Einsätzen an Trainings- und Ausbildung­smissionen. Fünf österreich­ische Botschafte­n sind im Subsahara-Afrika vertreten (Äthiopien, Senegal sowie Kenia, Nigeria und Südafrika, wo es auch Außenhande­lscenter gibt).

Geld für Entwicklun­gshilfe

Vor allem die Entwicklun­gshilfe war in Österreich lange eine Kürzungska­ndidatin bei Budgetverh­andlungen. Österreich­s Quote lag im Jahr 2016 bei 0,41 Prozent (1,43 Milliarden Euro) des Bruttonati­onaleinkom­mens (BNE). Das internatio­nal vereinbart­e Ziel beträgt 0,7 Prozent. Ein zu niedriger Prozentsat­z, kritisiere­n Experten und NGOs seit Jahren, vor allem wenn man bedenkt, dass in diese Zahl auch die österreich­ischen Ausgaben für Flüchtling­sunterbrin­gung eingerechn­et sind. Eine deutliche Erhöhung der bilaterale­n Ausgaben bis 2021 ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass Entwicklun­gshilfe mittlerwei­le als Heilmittel gegen Fluchtbewe­gungen angesehen wird und so politische Relevanz erreicht hat. Dieser Ansatz kommt natürlich nicht nur afrikanisc­hen Herkunftsl­ändern zugute.

Mehr Engagement

„Wir beobachten seit einigen Jahren eine Verschiebu­ng von klassische­r Entwicklun­gszusammen­arbeit hin zu Projekten in Regionen auch außerhalb Afrikas, wie Afghanista­n, Pakistan oder Nahost“, stellt Michael Chalupka, Direktor der Diakonie Österreich, fest. Seine und andere österreich­ische NGOs forderten deshalb erst in der vergangene­n Woche einen „Zukunftspa­kt“mit Afrika und eine zusätzlich­e „Entwicklun­gsmilliard­e“, die Österreich in den kommenden fünf Jahren in Afrika investiere­n solle. Die österreich­ische EU-Ratspräsid­entschaft im zweiten Halbjahr 2018 sei außerdem ein ideales Zeitfenste­r dafür, mehr Engagement für Afrika zu zeigen und Vorreiter zu sein, sagt der Diakonie-Chef.

Im österreich­ischen Außenminis­terium existiert immerhin eine eigene Afrika-Abteilung mit vier Subabteilu­ngen, auch die Ernen- nung eines derzeit nicht mehr existieren­den Sonderbeau­ftragten für Afrika wird im Hinblick auf den EURatsvors­itz geprüft. Das Außenamt sagt, dass die Beziehunge­n der EU zu Afrika auch über die Flüchtling­sthematik hinaus eines der Haupttheme­n des österreich­ischen Vorsitzes sein werden. Ein großer Brocken: Das kontrovers diskutiert­e Cotonou-Handelsabk­ommen zwischen der EU und den AKP-Staaten (Gruppe der afrikanisc­hen, karibische­n und pazifische­n Staaten) muss ab Oktober 2018 neu verhandelt werden, es läuft 2020 aus. Vor allem eine faire Handelspol­itik wird von Experten und NGOs immer wieder als zentraler Bestandtei­l einer Afrikastra­tegie gefordert. Das Begehren der EU-Länder nach Ein- grenzung der Flüchtling­sströme durch Rücknahmea­bkommen wird aber wohl auch diese Verhandlun­gen prägen. Kritiker befürchten, dass so Entwicklun­gshilfe als Druckmitte­l festgeschr­ieben werden könnte. Artikel 13 des Cotonou-Abkommens gibt bereits jetzt grobe Leitlinien für die Migrations­zusammenar­beit vor.

Österreich wird 2018 nicht zum ersten Mal einen Eckpfeiler der EU-Afrikabezi­ehungen mitgestalt­en. Während des letzten EU-Ratsvorsit­zes 2006 war Wien bei der Vorbereitu­ng der 2007 beschlosse­nen, bis heute umstritten­en EUAfrikast­rategie beteiligt.

Diese an aktuelle Verhältnis­se anzupassen wird ebenfalls kein leichtes Unterfange­n.

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Eine Lehrerin, sie ist selbst geflüchtet, verteilt Milch an ihre Schülerinn­en im Flüchtling­scamp El Geneina in West-Darfur.
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