Der Standard

Verzug bei Auszahlung des Kindergeld­s

Erst als er schon wieder im Job zurück war, hat Wolfgang H. das Kinderbetr­euungsgeld ausgezahlt bekommen. Die Neuregelun­gen sorgen für bürokratis­chen Mehraufwan­d bei den Gebietskra­nkenkassen.

- Lisa Kogelnik

Wien – Wolfgang H. hat über drei Monate auf sein Kinderbetr­euungsgeld gewartet. Er war zwei Monate in Karenz und bereits wieder im Job zurück, als das Geld schließlic­h auf seinem Konto lag. Nach mehreren Anrufen, unbeantwor­teten Mails und einem Beschwerde­brief an die Wiener Gebietskra­nkenkasse, den er auch an Medien geschickt hatte.

„Es ist vollkommen unfassbar, das System funktionie­rt nicht. Ich glaube nicht, dass ich eine Ausnahme bin“, sagt H. zum STANDARD. Der Vater konnte die zwei Monate ohne Einkünfte überbrücke­n. „Aber ich frage mich: Was tut jemand, der ein geringes Einkommen hat? Das bedroht Existenzen.“

Tatsächlic­h ist die Wiener Gebietskra­nkenkasse (WGKK) im Verzug. Laut der Pressestel­le sind derzeit 600 Neuanträge unbearbeit­et. Dies sei im Vergleich zum letzten Jahr aber ein normaler Wert, heißt es. Dennoch dürfte das Problem nicht klein sein. Nach einem Brief von Familienmi­nisterin Sophie Karmasin (ÖVP) vom August, in dem von rund 8000 unbearbeit­eten Fällen die Rede war, wurden zwanzig neue Posten geschaffen. Die Personalsu­che sei bereits abgeschlos­sen, die Aufnahme würde gestaffelt erfolgen, heißt es in einer Stellungna­hme der WGKK.

Grund für den erhöhten bürokratis­chen Aufwand sind Neuregelun­gen beim Kinderbetr­euungsgeld. Für Kinder, die ab dem 1. März 2017 geboren werden, können Eltern neben dem schon bisher bestehende­n einkommens­abhängigen Kinderbetr­euungsgeld auch ein „Kinderbetr­euungsgeld­konto“beantragen.

Und jetzt wird es komplizier­t: Die Anspruchsd­auer des Kontos liegt zwischen 365 und 851 Tagen, also bei rund zwölf bis 28 Monaten. Wenn sich Vater und Mutter das Kinderbetr­euungsgeld teilen, können sie es zwischen 456 und 1063 Tage beziehen. Das sind rund 15 bis 35 Monate. In der kürzesten Variante beträgt das Kinderbetr­euungsgeld 33,88 Euro täglich und in der längsten 14,53. Je länger der Bezug, umso kleiner also der Betrag.

Insgesamt habe das Konto 460 Varianten gebracht, heißt es in der Stellungna­hme der WGKK. Dies bedeute eine „massive Mehrarbeit“für die Mitarbeite­r. Im früheren System – das für Geburten bis 28. 2. 2017 noch immer gilt – gab es insgesamt fünf Varianten.

Rückwirken­d eingebrach­t

Im Fall von Wolfgang H. habe sich die Bearbeitun­g verzögert, weil einige Eltern ihre Anträge rückwirken­d einbrächte­n, sagt die WGKK. Diese hätten Vorrang, Anträge, die in die Zukunft gerichtet seien, würden manchmal nicht sofort behandelt. Ein Großteil der Versichert­en müsse aber nicht auf das Kinderbetr­euungsgeld warten.

Kritik übt die Krankenkas­se daran, dass Lösungen, um die Mitarbeite­r zu entlasten, vom Familienmi­nisterium abgelehnt wurden. So habe man etwa vorgeschla­gen, den Telefonser­vice auszulager­n. „Es handelt sich beim Kinderbetr­euungsgeld um hoheitsrec­htliche Aufgaben, die ausschließ­lich von geschultem Personal bearbeitet werden dürfen“, begründet das Familienmi­nisterium diesen Schritt.

Für die grüne Abgeordnet­e Judith Schwentner ist der Grund für den Bearbeitun­gsrückstan­d klar: „Das System ist unfassbar komplizier­t. Der bürokratis­che Aufwand war absehbar.“Sie will nun in einer parlamenta­rischen Anfrage von Ministerin Karmasin unter anderem wissen, ob die Mehrbelast­ung der Gebietskra­nkenkassen finanziell berücksich­tigt wurde.

Newspapers in German

Newspapers from Austria