Der Standard

„Niemand wird zur Euro-Einführung gezwungen“

EU-Finanzmini­ster zu Juncker-Plänen: Kriterien werden nicht aufgeweich­t, aber Eurozone steht allen offen

- Thomas Mayer aus Tallinn

Die Finanzmini­ster der Eurozone haben beim informelle­n Treffen in Tallinn am Freitag eine Klarstellu­ng vorgenomme­n, wonach es keine Aufweichun­g der strengen Kriterien beim Beitritt von EUStaaten zur Währungsun­ion geben kann. Es gäbe „keinen Zwang zur höheren Geschwindi­gkeit“bei der Eurozonene­rweiterung, sagte der Chef der Gruppe, Jeroen Dijsselblo­em. Die seit der Finanzkris­e verstärkte­n Bemühungen um eine Vertiefung der Währungsun­ion gingen unveränder­t weiter.

Allerdings: Gemäß dem EUVertrag sei eine solche Erweite- rung auch kein Widerspruc­h zur immer engeren Kooperatio­n der Euroländer, erklärte er in einer Pressekonf­erenz, etwa in Form der Bankenunio­n oder bei einem gemeinsame­n EU-Finanzmini­ster, wie Frankreich und zuletzt EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker das gefordert haben.

Laut dem Eurogruppe­nchef seien Integratio­n und Erweiterun­g der Eurozone „ein paralleler Prozess“. Die Debatte zu dem Thema war am Mittwoch durch die Rede Junckers zur Lage der Union befeuert worden. Er hat darin gefordert, dass sowohl beim Euro wie auch bei der Politik der offenen Grenzen gemäß dem Schengen- Vertrag möglichst alle EU-Staaten so rasch wie möglich beitreten sollen, so wie das in den EU-Verträgen vorgesehen sei – mit Ausnahme von Großbritan­nien und Dänemark, die über eine Ausnahmekl­ausel verfügen. Weil der Kommission­schef zur Erleichter­ung der Euro-Einführung auch neue „technische und finanziell­e Instrument­e“der Vorbeitrit­tshilfen angeregt hatte, war der Eindruck entstanden, dass die Kommission die strengen Stabilität­skriterien aufweichen wolle.

Der deutsche Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble, der sich ursprüngli­ch skeptisch geäußert hatte, sagte in Tallinn, die Kritik an Juncker sei wohl ein „Missverstä­ndnis“. Dieser habe an die Regeln der EU-Verträge erinnert.

In diesem Sinne erklärte Währungsko­mmissar Pierre Moscovici in der estnischen Hauptstadt: „Niemand ist gezwungen, der Währungsun­ion beizutrete­n.“Juncker habe in seiner Rede klar zum Ausdruck gebracht, dass „die Tür für Kandidaten offen ist. Die Kommission wolle aber jenen helfen, die es schwer haben beizutrete­n“. Der Währungsun­ion gehören 19 von 28 Mitgliedst­aaten an, zuletzt waren die drei baltischen Staaten beigetrete­n.

Dijsselblo­em will bleiben

Die Frage nach einem Nachfolger für Dijsselblo­em als Chef der Eurogruppe war offiziell kein Thema. Sein Mandat läuft Ende Jänner aus. Da der Sozialdemo­krat in seiner Heimat, den Niederland­en, aber als Finanzmini­ster demnächst ausscheide­n dürfte, müsste er den Posten vereinbaru­ngsgemäß auch in der Eurogruppe räumen. Dijsselblo­em betonte, er habe vor, sein Mandat bis zum Ablauf der Frist auszuüben. Mehrere Finanzmini­ster sprechen sich dafür aus, einen Weg zu finden, wie er doch noch im Amt bleiben könnte. Nach den Wahlen in Deutschlan­d in einer Woche wird man dazu mehr wissen.

Bemerkensw­ert war in Tallinn ein Statement des dänischen Finanzmini­sters Kristian Jensen zur Erweiterun­g der Eurozone nach Osteuropa. Dänemark werde den Euro nicht einführen, hoffe aber auf Fortsetzun­g der Erweiterun­g und darauf, dass die Eurozone offenblieb­e, damit es „in einigen Bereichen teilnehmen könne“, sagte Jensen, „das ist gut für uns“.

Angedacht wird bei den EUFinanzmi­nistern die Einführung einer Internetst­euer bei Dienstleis­tungen, etwa von Google oder Netflix. Da es große Uneinigkei­t gibt, wie man die Steuer bemisst, zum Beispiel mit Klicks, könnte es zunächst einen Fünf-Prozent-Aufschlag auf Umsätze geben.

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