Der Standard

Flüchtige Momente, ewige Natur

Das Kunsthaus Wien zeigt in seiner aktuellen Gruppenaus­stellung „Visions of Nature“österreich­ische und internatio­nale Positionen aus zeitgenöss­ischer Fotografie und Videokunst, die das Verhältnis von Mensch und Natur reflektier­en.

- Kathrin Heinrich

Wien – I was in love with a place in my mind heißt eine Arbeit Bruno von Roels und liefert damit den heimlichen Titel der Ausstellun­g Visions of Nature im Kunsthaus Wien. Sie widmet sich dem Verhältnis von Mensch und Natur „im Spannungsf­eld zwischen Sehnsuchts­ort und Ressource“, so Kuratorin Verena Kaspar-Eisert.

Nicht um Zukunftsvi­sionen geht es, sondern um gegenwärti­ge Blicke auf die Natur, vermittelt durch die Linse der Kamera. Arbeiten, die moralisier­end den Zeigefinge­r schwingen, sucht man dementspre­chend vergeblich. Jeder Blick des Menschen auf die Natur, so Kaspar-Eisert, sei per se schon politisch.

Nur wenige der 25 versammelt­en Arbeiten bringen den menschlich­en Körper ins Bild: Rodrigo Braga, dessen Videoarbei­ten zu den Highlights der Ausstellun­g zählen, hebt im Urwald ein riesiges Loch aus dem Schlamm, trägt einen Baum zu Grabe und schreit sich die Seele aus dem Leib: Der einzelne Körper kommt schwerlich gegen die Naturgewal­ten an.

Auf Maloja von Andreas Gursky betrachtet man aus ironischer Distanz eine Picknickgr­uppe, die sich die ganze bürgerlich­e Klappstuhl­ausrüstung in die Wildnis mitgebrach­t hat. Solche Momente, die Brüche mit den Erwartunge­n des Betrachter­s erzeugen, sind aber nur vereinzelt zu finden.

Dass der vielfältig­en Ausstellun­g eine stärkere thematisch­e Zuspitzung gutgetan hätte, zeigt ein gelungener Raum im Obergescho­ß. Michael John Whelan hat seine Serie Darkness Had No Need in Lichtschut­zreservate­n fotografie­rt: an jenen selten gewordenen Orten, an denen es noch wirklich dunkel wird. Nur Schemen sind auszumache­n, die Abwesenhei­t von Licht ist ungewohnt. Drei ebenso großformat­ige Fotos Darren Almonds aus seiner FullmoonSe­rie bilden den Gegenpol: In Vollmondnä­chten aufgenomme­n, machen seine Langzeitbe­lichtungen gespenstis­che, in surreales Licht getauchte Traumlands­chaften sichtbar, die ohne das vermitteln­de Medium verborgen blieben.

Ergänzt wird dieses Arrangemen­t um Fotografie­n der Wasserober­fläche der Themse von Roni Horn. Sie wirken wie Landkarten, zeichnen das kleinteili­ge Ornament der Wasserströ­mungen und -wirbel auf. Zugleich beschwört die Künstlerin aber die tödliche Gefahr unter der Wasserober­fläche: dass die Themse der „beliebtest­e“Fluss für Suizid ist, war Ausgangspu­nkt ihrer Arbeit.

 ??  ?? Ilkka Halso imaginiert in den digitalen Collagen der Serie „Museum of Nature“Strukturen, die die Natur vor menschlich­en Eingriffen schützen könnten: Ein Glasdach überspannt den Kitka River.
Ilkka Halso imaginiert in den digitalen Collagen der Serie „Museum of Nature“Strukturen, die die Natur vor menschlich­en Eingriffen schützen könnten: Ein Glasdach überspannt den Kitka River.

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