Der Standard

Trauma ohne Ende

- Stefan Weiss

Ein Mann stürzt sich von einer Autobahnbr­ücke und wird von einem Bus erfasst. Der vemeintlic­he Selbstmord, der sich bald als Mord entpuppt, lässt beim Fahrer unverarbei­tete Erinnerung­en hochkochen. Im Schock holt er den Toten unterm Bus hervor und tritt schreiend auf ihn ein. Passanten filmen die unfassbare Tat. Den Ermittlern Flückiger (Stefan Gubser) und Ritschard (Delia Mayer) wird bald bewusst: Hier muss nicht nur ein Todesfall geklärt werden, es wird auch darum gehen, einen weiteren zu verhindern.

Zwei Leben heißt der zwölfte Schweizer Tatort am Sonntag, der als Überthema posttrauma­tische Belastungs­störungen verarbeite­n will. Der Busfahrer Beni Gisler war früher Lokführer. Aus dieser Zeit trägt er die unverheilt­en psychische­n Wunden zweier Schienensu­izide mit sich herum. Der nunmehr dritte Vorfall lässt Gisler an eine Verschwöru­ng glauben. Michael Neuenschwa­nder spielt den psychisch Labilen, der zwischen Selbstjust­iz und Selbsthass hinund herpendelt, erschrecke­nd real. Mit wenigen Worten, aber körperlich umso präsenter, ist er der große Pluspunkt dieses Tatort.

Ansonsten haben die Drehbuchau­toren ein wenig in der Schweizer Klischeeki­ste gegraben und dem Toten eine abenteuerl­iche Vorgeschic­hte aus der Abteilung Wirtschaft­sgaunerei inklusive inszeniert­en ersten Ablebens in der TsunamiKat­astrophe von 2004 angedichte­t. Dass der Täter letztlich der ist, von dem man es am wenigsten erwarten durfte, gehört weiters nicht gerade zu den originells­ten Einfällen.

Immerhin atmosphäri­sch gewinnt Zwei Leben dadurch, dass auch die Nebenchara­ktere nicht gerade sorgenfrei durchs Leben gehen. Sein Packerl hat hier jeder zu tragen. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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