Der Standard

Die deutsche und die österreich­ische Wut

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Zwei der wichtigste­n deutschen Leitmedien machen mit der Bürgerwut im laufenden Wahlkampf auf. Die Zeit titelt: „Wut, Angst, Frust: Warum rückt das Land nicht nach links“(sondern „eher nach rechts?“). Der Spiegel titelt auf schwarz-rot-gelbem Hintergrun­d „Alles wird g(W)ut!“– „Die Berliner Ruhe trügt – in Deutschlan­d brodelt es.“ahlreiche Wahlverans­taltungen, besonders die von Angela Merkel und besonders die in Ostdeutsch­land, werden von einem „Volksverrä­ter“grölenden rechten Mob gestört; in den (a)sozialen Medien spielen sich unfassbare Orgien an verbaler Hassgewalt­bereitscha­ft ab.

Liebe Deutsche, willkommen in österreich­ischen Verhältnis­sen!

Doch halt, etwas ist doch anders. In Österreich werden öffentlich­e Auftritte von Kern, Kurz oder Lunacek praktisch nicht durch Hassmobs gestört. Das liegt zum einen daran, dass sich Österreich­er lieber nicht so exponieren. Lieber im FPÖ-Bierzelt unter Gleichgesi­nnten oder im vermeintli­chen Schutzraum der (a)sozialen Medien.

In Deutschlan­d hingegen werden die Anti-Merkel-Demos von der AfD und Pegida organisier­t. Die FPÖ ist eng mit der AfD, macht aber so was eher nicht, weil sie sowohl mit der ÖVP als auch mit der SPÖ in eine Regierung will.

Aber der Hauptunter­schied besteht darin, dass in Deutschlan­d niemand mit der extrem rechten AfD koalieren will, in Österreich SPÖ und ÖVP mit der extrem rechten FPÖ aber schon.

In Deutschlan­d lernt man jetzt jedenfalls die rechte Wut als Massenphän­omen kennen

Z(die AfD steht bei den Umfragen bei zehn Prozent und damit an dritter Stelle). Die Ursachenfo­rschung konzentrie­rt sich auf die ostdeutsch­e Sondersitu­ation, aber auch auf „Unzufriede­nheit mit der eigenen Lebenslage“. AfD-Wähler schätzen ihre Position in der Gesellscha­ft niedrig ein und fühlen sich ohnmächtig.

Das ist in Österreich nicht anders. Und zum Gefühl, dass anderswo über das eigene Leben entschiede­n werde, gehört natürlich die „Flüchtling­sflut“. Zugespitzt gesagt kann der durchschni­ttliche deutsche und österreich­ische Rechtswähl­er und -denker nicht verstehen, warum damals, als die Flüchtling­smassen kamen, nicht einfach geschossen wurde. Das Gefühl der Überwältig­ung sowohl durch die Flüchtling­e als auch durch die schon vor längerer Zeit zugewander­ten Muslime ist massiv spürbar. Unter anderem in dem unglücklic­hen FacebookVi­deo der SPÖ, wo sich Kanzler Kern hilflos von einer fremdenfei­ndlichen Genossin anstrudeln lässt.

Wie reagieren? Kurz und Doskozil wollen die Zuwanderun­g komplett stoppen, Strache und Hofer auch bereits hier Ansässige letztlich hinausekel­n. Das kann man so vergessen. s gibt nur pragmatisc­he Lösungen, die aber nur langfristi­g wirken (viel mehr Geld in Bildung einerseits, viel mehr Härte gegen den politische­n Islam anderersei­ts). Die einzig denkbare Strategie scheint zu sein, die Gründe für die Wut, vor allem die Furcht vor einer Überwältig­ung durch Fremde, so offen wie entschloss­en – und nicht hetzerisch – anzusprech­en (aber auch die Muslime selbst müssen angesproch­en werden – über ihre großteils reaktionär­en offizielle­n Vertreter hinweg). Versucht es einmal damit. hans.rauscher@derStandar­d.at

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