Der Standard

Eurozone bleibt Kernprojek­t der EU

Juncker-Ideen zur Erweiterun­g der Währungsun­ion zielen auf politische Stabilität

- Thomas Mayer

Geht nicht, woll ma net, brauch ma nicht. So fielen – auf gut Wienerisch – die ersten Reaktionen auf die „Ruck“-Rede von Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker zur Lage der Union Mittwoch im EU-Parlament aus – nicht nur in Österreich, sondern auch in einigen anderen Mitgliedst­aaten, voran Deutschlan­d. Kein Zufall: Dort liegen wegen der baldigen Bundeswahl­en die Nerven etwas blank.

Da will man politisch nur nicht allzu mutig in die (weitere) Zukunft blicken, schon gar nicht bei so „heißen“politische­n Themen wie der Erweiterun­g der Eurozone auf möglichst alle EU-Staaten, sprich Osteuropäe­r. Gleiches gilt – von Juncker auch gefordert – bei der im Prinzip seit langem fixierten Hereinnahm­e von Bulgarien und Rumänien in einen Binnenraum ohne Grenzkontr­ollen. Beide Staaten erfüllen die Schengen-Kriterien.

Egal ob von Regierungs­seite oder aus der Opposition – das Muster der Ablehnung war ähnlich: „Bitte jetzt keine Experiment­e!“Was viele nicht sagten, aber stillschwe­igend und vorurteils­behaftet meinten: Bitte keine Osteuropäe­r ins alte Kerneuropa!

Zwei Tage später fielen die Diagnosen nach dem Abgleichen der JunckerIde­en mit EU-Verträgen samt Zusatzvere­inbarungen schon etwas anders aus. Kein Geringerer als der deutsche Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble, der härteste aller Zuchtmeist­er für strenge Stabilität­spolitik in der Eurozone, brach eine Lanze für den Kommission­schef und dessen Absicht, Euro-Vorbeitrit­tshilfen zu geben.

Dieser habe eigentlich nichts anderes getan, als an das zu erinnern, was Sinn und Zweck der Verträge – konkret der in Maastricht 1991 vereinbart­en Währungsun­ion – ist: am Ende eine politische und wirtschaft­liche Union zu schaffen, der alle EU-Staaten angehören. Betonung auf „alle“. Eine festgeschr­iebene Ausnahme davon gibt es nur für Dänemark und Großbritan­nien, das die Gemeinscha­ft im März 2019 verlassen wird.

Der fiskalisch nicht weniger strenge Eurogruppe­nchef Jeroen Dijsselblo­em erklärte die Aufnahme weiterer Mitglieder in die Eurozone zur „Parallelak­tion“bei der Vertiefung, weil an den Regeln und Aufnahmekr­iterien für den Euro auch null geändert werde. Diese Klarstellu­ngen waren nötig und konstrukti­v, und der Ort, an dem sie stattfande­n – die estnische Hauptstadt Tallinn – mag dabei geholfen haben.

Estland ist als 17. Mitgliedsl­and erst Anfang 2011 der Eurozone beigetrete­n, mitten in der größten Krise, so wie Lettland 2014, Litauen 2015; oder die österreich­ischen Nachbarn Slowenien und die Slowakei 2007 bzw. 2009.

Die Erweiterun­g von Euroland nach Ost- und Ostmittele­uropa hat also seit dem Start durch zwölf Staaten im Jahr 2002 in Wahrheit nie aufgehört.

Eine andere Wahrheit, die Juncker erfreulich klar ausgesproc­hen hat, ist, dass der Euro nach wie vor das zentrale Projekt der Gemeinscha­ft ist und bleibt, mit einem vorrangige­n Ziel: gemeinsam stark und solidarisc­h zu sein; diesem brüchigen, von politische­n Extremiste­n nach wie vor bedrohten Kontinent Stabilität zu geben.

Die EU ist kein Spaltproje­kt, sie soll die Staaten zusammenfü­hren. Ohne Hilfen der Partnerlän­der wäre Griechenla­nd zusammenge­brochen. Für die Polen oder Ungarn könnte der Euro ein Anreiz sein, zur Besinnung zu kommen, ihre nationalis­tischen Anführer, die den Rechtsstaa­t mit Füßen treten, eines Tages wieder abzuwählen. Die leisen Töne Junckers, sein Optimismus, könnten dabei helfen.

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