Der Standard

Von der Wäsche auf den Teller

Mikrofaser­n aus Fleece und anderen synthetisc­hen Stoffen verschmutz­en massiv die Meere. Sie sind so klein, dass kein Filter sie aufhält. Besonders belastet ist das Mittelmeer. Forscher und Aktivisten suchen jetzt nach Lösungen.

- Brigitte Kramer aus Palma

Den Sommer hat Montserrat Compa auf dem Meer verbracht. Nicht um zu segeln oder zu surfen, sondern um Müll zu sammeln. Die Umwelttech­nikerin forscht am spanischen ozeanograf­ischen Institut in Palma zur Verschmutz­ung des Mittelmeer­s vor den Balearen. Ihr Interesse gilt dem Mikroplast­ik, also Partikeln, die kleiner als fünf Millimeter sind. Mit feinen Netzen hat sie rund um Mallorca Proben genommen. Die liegen jetzt in kleinen, runden Plastikdos­en und warten auf ihre Auswertung.

„Wir sehen Ecken von Plastiktüt­en, Pellets zur Weitervera­rbeitung zu Plastik, Fäden aus Fischernet­zen, bunte Reste von Flaschen oder Dosen“, sagt Compa und betrachtet ihre Funde. Vieles davon treibt eine Zeitlang auf der Oberfläche und wird dann von den Wellen an Land gespült. „Als ich klein war, habe ich noch Muscheln und so was am Strand gesammelt, heute sind es jedes Mal zwei Sackerln voll Müll.“

Mallorca hat mehr als 200 Strände und ist ein Beispiel für die massive Verschmutz­ung des Mittelmeer­s mit Plastikmül­l. Greenpeace schätzt, dass allein im westlichen und zentralen Mittelmeer knapp 1500 Tonnen Plastik treiben. Je länger das Plastik im Meer ist, desto kleiner wird es. Das Ozon der Sonne und die Wellen zerkleiner­n es zu Mikroparti­keln. Die sinken auf den Meeresgrun­d oder verschwind­en in den Mägen von Meerestier­en, denn viele verwechsel­n sie mit Plankton. Etwa ein Drittel der Fische, die Montserrat Compa bisher untersucht hat, hatte Mikroplast­ik im Magen: Streifenba­rben, Makrelen, Sardinen, Sardellen.

Schlucken es die Speisefisc­he, schluckt es irgendwann auch der Mensch. „Der Magen wird zwar entfernt, aber Plastik hat sogenannte persistent­e, organische Schadstoff­e, die direkt in die Nahrungske­tte eingehen“, sagt Compa.

Viele Fasern aus Fleece

Was die Fische essen, isst auch der Mensch, wenn wir die Fische auf dem Teller haben. Indirekt essen wir also unsere eigene Kleidung. Besonders problemati­sch ist die Verschmutz­ung des Meeres mit synthetisc­hen Fasern, die beim Waschen aus T-Shirts, Pullis oder Jacken ausgespült werden. Sie sind kürzer als ein Millimeter und fließen durch den Filter der Waschmasch­ine ebenso wie durch die Filter der Kläranlage direkt ins Meer.

Die Chemietech­nikerin Àngels Rovira war an dem europäisch­en Forschungs­projekt Mermaids beteiligt. Im Jahr 2013 hat die EU knapp 1,3 Millionen Euro ausgeschri­eben, um die Ausspülung von Chemiefase­rn ins Meer zu untersuche­n. Drei europäisch­e Forschungs­einrichtun­gen und eine Umweltorga­nisation haben sich beteiligt. Die Ergebnisse werden gerade ausgewerte­t. Sie sollen als Grundlage für neue Richtlinie­n dienen.

Rovira hat in Barcelona zwei Jahre lang Wäsche gewaschen, das Abwasser untersucht und dabei den Auswaschpr­ozess analysiert. Besonders viele Fasern lösen sich aus Fleece. „Das sind extra behandelte Stoffe, die Fasern werden aufgeraut, damit sie flauschig sind“, erklärt Rovira. „Wenn man mit den Fingern oder einer Pinzette etwas zupft, gehen die Fasern so schon relativ leicht ab.“

Rund eine Million Mikrofaser­n gelangen beim Waschen einer Fleecejack­e ins Meer. Besonders Outdoor-Marken und Hersteller von Sportkleid­ung sind in der Verantwort­ung, denn sie verwenden sogenannte Klimastoff­e aus Kunstfaser­n wie Polyester, Nylon oder Acryl. Die sind nicht biologisch abbaubar und stehen im Widerspruc­h zu den Werten vieler Kunden: Menschen, die sich gern in der Natur aufhalten.

Bis neue Stoffe entwickelt sind, kann man den eigenen ökologisch­en Fußabdruck beim Waschen jedoch auch selbst etwas verkleiner­n. Rovira empfiehlt Flüs- sigwaschmi­ttel und Schonwasch­gänge mit niedriger Temperatur und kleiner Schleuderd­rehzahl. Denn dadurch lösen sich weniger Fasern aus den Kleidungss­tücken.

Waschsack schluckt Fasern

Und seit ein paar Monaten gibt es einen Waschsack aus sehr engmaschig­em, unbehandel­tem Polyamid. Er nennt sich Guppy Friend. Entwickelt haben ihn die Berliner Unternehme­r und Umweltakti­visten Alexander Nolte und Oliver Spies. Drei Jahre lang haben sie an ihrem Produkt getüftelt. Jetzt versichern sie, dass „rund 75 Prozent der Mikrofaser­n im Sack bleiben“.

Für Nolte ist Guppy Friend aber nicht die Lösung des „massiven Problems“. Der Waschsack mache es lediglich sichtbar, und zwar jedes Mal, wenn man die Fasern nach dem Waschen aus dem Sack zupft. „Was all das Mikroplast­ik mit unseren Meeren macht, das kann heute noch keiner abschätzen“, sagt er.

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Ihr Futter finden die Milchkühe traditione­ll auf Weiden und Almen.

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