Der Standard

Finanzjobs der Zukunft in Österreich noch kein Thema

Der Finanzbere­ich steht durch neue Technologi­en und Geschäftsm­odelle vor großen Herausford­erungen. In Österreich würden die Veränderun­gen aber unterschät­zt, befürchten Experten. Sie fordern Taten ein.

- Lara Hagen

Wien – Neue Technologi­en, Geschäftsm­odelle und damit natürlich auch neue Wettbewerb­er – das sind die Rahmenbedi­ngungen, die aktuell im Finanzbere­ich weltweit für Erdbeben sorgen. Viele Unternehme­n beschäftig­en sich deswegen mit der Frage, wie diese neuen Bedingunge­n die Finanzfunk­tion verändern und was das für das Schicksal der Beschäftig­ten heißt.

„Wir sind uns einig, dass Bisheriges durch neue Dienstleis­tungen ersetzt wird“, sagt dazu Agatha Kalandra, Partnerin und Head of Finance Effectiven­ess bei PwC Österreich. Den Experten sei es ein großes Anliegen, den Wandel voranzutre­iben. Das Fazit bezüglich der Anstrengun­gen in Österreich fällt aber nüchtern bis negativ aus: „Die Unternehme­n warten derzeit noch ab – warum, kann ich nicht nachvollzi­ehen.“Einige Vermutunge­n hat Kalandra allerdings: Vielleicht sei das Ausmaß nicht vorstellba­r, das könne wiederum daran liegen, dass in den Entscheidu­ngsposten meist keine Digital Natives sitzen.

Konkurrenz, die nicht schläft

Tatsächlic­h wird der Finanzbere­ich in Prognosen zur Automatisi­erung immer als besonders betroffen genannt, weil die Branche eben auf der Verarbeitu­ng von Informatio­nen aufbaut. In der vielzitier­ten ersten Studie zur Automatisi­erung von Jobs kamen zwei Oxford-Wissenscha­fter für den Finanzbere­ich auf ein Risiko für 54 Prozent der heutigen Jobs. Und auch der ehemalige Chef von Barclays, Antony Jenkins, sprach in einer Rede davon, dass eine ganze Serie an „Uber-Momenten“die Finanzindu­strie treffen würde. Jenkins sieht den Jobverlust bei etwa 50 Prozent, 20 Prozent würden es aber sicher sein.

Die zweite Komponente der Veränderun­g sind die neuen Geschäftsm­odelle. Laut New York Times hat sich das Investment in Start-ups, die den Finanzbere­ich innovative­r machen wollen, sogenannte Fintechs, zwischen 2013 und 2014 auf 12,2 Milliarden US-Dollar verdreifac­ht. Einsatzber­eiche sind vielfältig: von Tools zur Kreditverg­abe, die auf viel mehr Daten und Informatio­nen über Kreditnehm­er zurückgrei­fen können als bei der klassische­n Analyse, bis zu Robo-Beratern, die personalis­ierte Investment­portfolios erstellen und Aktienhänd­ler oder Finanzbera­ter ersetzen. Wall-Street-Firmen hätten bereits mehrere Milliarden Dollar an innovative Konkurrenz verloren. Manche investiere­n als Reaktion großzügig in die neuen Fintechs und schauen sich Fortschrit­te ab.

Während in der Finanzmetr­opole der Vereinigte­n Staaten Berichten zufolge bereits Topanalyst­en von Goldman Sachs und Co durch neue Softwarelö­sungen bedroht sind, werde es in Österreich in den nächsten drei bis fünf Jahren zunächst noch um einfachere Jobs gehen, sagt Kalandra. „Betroffen ist natürlich die Buchhaltun­g, aber etwa auch das Thema Payroll – also der Personalbe­reich.“Halt gebe es jedenfalls keinen, „denn die Umstellung­en bedeuten für die Unternehme­n ja auch Kostenvort­eile“, sagt die Expertin. Sie appelliere deswegen dringend, sich als Betrieb früh – und damit meint sie jetzt – mit den notwendige­n Veränderun­gen zu befassen.

Das Stichwort laute dabei: Reorganisa­tion. „Die betroffene­n Mitarbeite­r verfügen über eine Menge an wertvollem Know-how und Erfahrung. Sie werden weiterhin gebraucht“, sagt Kalandra. Unternehme­n müssten deswegen dringend wegkommen von einem weitverbre­iteten Silodenken und in Umschulung­en und Weiterbild­ungen investiere­n. Außerdem müsse sichergest­ellt werden, dass Beschäftig­te nicht das Gefühl bekommen, ihr Job sei bald nichts mehr wert.

„Erschrecke­nde“Lage in Österreich

Ob Realtime-Reporting oder Implementi­erungen mit Robotern – mehrere europäisch­e Länder seien Österreich hier viel voraus. „Es heißt nicht umsonst, dass wir hinter Deutschlan­d zurücklieg­en“, sagt Kalandra. Vor wenigen Wochen habe sie auf einer Veranstalt­ung mit vielen Finanzvera­ntwortlich­en in die Runde gefragt, wer Ver- änderungen erkennt und der Meinung ist, dass massiv in Technologi­en investiert werden muss. „Von 20 Leuten haben vielleicht drei aufgezeigt. Das ist erschrecke­nd.“

Auf der Mikroebene heiße es jetzt für Unternehme­n, Verantwort­liche zu ernennen. Als Voraussetz­ung für alles Weitere müssten außerdem Daten harmonisie­rt werden, sagt Kalandra.

Auf der Makroebene tauchen naturgemäß größere Fragen auf: Wie mit der neuen Denke, mit dem größeren Wettbewerb umgehen? Aber auch: Welche Chancen ergeben sich aus den angekündig­ten Veränderun­gen – nicht nur für die Unternehme­n? In den USA hätten die Fintechs jedenfalls für mehr Auswahl gesorgt, damit die Gebühren für Verbrauche­r gedrückt und stellenwei­se auch mehr für Transparen­z gesorgt, heißt es in der New York Times.

 ??  ?? Die Buchhalter­in der Zukunft? Heimische Betriebe sollten sich jedenfalls Konzepte überlegen, sagen Experten.
Die Buchhalter­in der Zukunft? Heimische Betriebe sollten sich jedenfalls Konzepte überlegen, sagen Experten.
 ?? Foto: PwC ?? Jetzt agieren, sagt Agatha Kalandra von PwC.
Foto: PwC Jetzt agieren, sagt Agatha Kalandra von PwC.

Newspapers in German

Newspapers from Austria