Carlsen kommt, Carlsen geht
Weltmeister Magnus Carlsen konnte sich in Tiflis nicht als sein eigener Herausforderer qualifizieren. Kanadas Hoffnung Kovalyov scheiterte an kurzen Hosen. Von ruf & ehn
Der Auftritt des Weltmeisters Magnus Carlsen beim World Cup in Tiflis fand in der dritten Runde ein Ende. Der Weltmeister verlor seine erste Partie im Minimatch gegen den 32-jährigen Chinesen Bu Xiangzhi und schied nach einem Remis in der Folgepartie aus. Das Antreten des Weltmeisters war spektakulär, denn Tiflis ist kein gewöhnliches Turnier: Beim World Cup wird um zwei Qualifikationsplätze für das nächste Kandidatenturnier in Berlin gekämpft, Carlsen – Weltmeister, Führender der Weltrangliste für klassische Partien, Blitzschach und Schnellschach – hätte sich also potenziell als sein eigener Herausforderer qualifizieren können. Bu beendete zum Glück die bizarre Vorstellung totaler Dominanz mit mutigem Spiel.
Turnierschluss war in der dritten Runde auch für Anton Kovalyov. Der 25-jährige kanadische Großmeister war in kurzen Hosen zur Partie gegen seinen Kollegen Maxim Rodshtein aus Israel erschienen, er verstieß damit gegen den vorgeschriebenen Dresscode; nach einem Streit mit dem Schiedsrichter verließ Kovalyov den Turniersaal und ward nicht mehr gesehen. Rodshtein gewann kampflos.
Die folgende Partie Carlsens ist ein instruktives Beispiel für den heutigen Stil. Natürlich hatte der Norweger das Opfer des Chinesen im 15. Zug vorhergesehen. Indem er das gefährliche Opfer zuließ und annahm, es widerlegen zu können, spielte Carlsen auf subtile Weise auf Gewinn. Tatsäch- lich betrog ihn sein Gefühl nicht, objektiv war seine Position zu verteidigen, allerdings war sie für einen Menschen äußerst schwierig zu spielen. Auch Carlsen ist ein solcher, vielleicht hatte er gerade das an diesem Tag übersehen.
Carlsen – Bu Xiangzhi Tiflis 2017
Eine ruhige Eröffnung in typischer Carlsen-Manier. Das Läuferspiel geht bald in einen langsamen geschlossenen Spanier über.
Der Beginn einer ausgeklügelten Vorbereitung des Chinesen. Zu weiterem ruhigen Manövrieren führt 9... h6 10.Sf1 Tfe8 11.Sg3 Lf8, schnellen Ausgleich schafft Schwarz mit 9... Tae8 10.h3 Lxb3 11.Dxb3 Sa5 12.Dd1 Sc6.
Die Überraschung. Im Stil des Marshall-Gambits opfert Schwarz einen Bauern für Initiative. Eine Einladung, wie sich gleich zeigen wird. Bu will unbedingt das Gambit und verzichtet auf 11... dxe4 12.dxe4 Se8 13.De2.
Was sonst, ist man geneigt zu fragen, denn spielt Schwarz „normal“weiter, hat er einfach einen Bauern weniger. Trotzdem sind das Konzept und der Mut des jungen Chinesen bewundernswert.
Der schwarze Plan ist leicht verständlich: Der f-Bauer soll bis nach f3 gehen und die Dame auf g2 mattsetzen.
Stoppt den f-Bauern. Für Weiß ist die Aufgabe einigermaßen schwieriger, er laboriert an Unterentwicklung und muss stets die allerbesten Verteidigungszüge finden.
Die beste Verteidigung war 21.Te2! Txe2 22.Dxe2 Tf6 23.Lxd5 cxd5 24.Sh2 Tg6+ 24.Kh1 Tg4!: Der weiße König steht zwar sicher, der Ausgang der Partie ist jedoch offen.
Etwas besser war wieder 22.Te2 Dg4+ 23.Kf2 g5! mit chaotischen Verhältnissen. Die zweite
Gibt Angriffswelle. die Figur zurück, alle Versuche, sie zu behalten, sind hoffnungslos, z.B. 24.Da4 Tf7 25.fxg5 Lh2+ 26.Sxh2 Dxe3+ 27.Kf1 Tg7.
Bu erkennt, dass sein König ein sicheres Plätzchen findet und sein Angriff unvermindert weiterrollt.
Hübsch war 29... Kg7! Nach 30.Dd7+ Kh8 31.Dd8+ Kh7 32.Dd7+ Tg7 33.Df5+ Kh8 34.Tc1 Tg1+ 35.Sf1 Dxb2 ist Weiß mit seinem Latein am Ende.
Anstatt mit dem König zu flüchten, sollte der Turm mit 30.Td1! Kh6 31.Td2 endlich ins Spiel gebracht werden.
Die allerletzte Chance war 31.Tb1.
Dieser Bauer wird nun zur tödlichen Gefahr. Auch nach 31... Lf4 hat Weiß nur einige Racheschachs: 32.Df8+ Kg5 33.De7+ Kf5 34.Df7+ Tf6 35.Dh7+ Kg4 und aus.
die Bereitet Schlusspointe vor.
Das Ende: Entweder bekommt Schwarz eine neue Dame oder Weiß verliert Turm und Springer. 0–1