Der Standard

Wie die Aufnahmepr­üfung eher aussehen sollte, dazu hat er Ideen. Was er außerdem noch plant.

Wolfgang Fleischhac­ker.

- Lisa Breit

INTERVIEW: STANDARD: Eine aktuelle Umfrage zeigt: Nur zwei Prozent der Medizinstu­denten wollen praktische­r Arzt werden. Das Studium bereite sie nicht ausreichen­d auf die Aufgaben von praktische­n Ärzten vor ... Fleischhac­ker: Der Allgemeinm­edizin wieder größeres Gewicht zu verleihen gehört zu meinen Plänen. Wir müssen das Lehrangebo­t spezifizie­ren, mehr Vorlesunge­n zu dem Thema anbieten. Auch Famulature­n bei Allgemeinm­edizinern wären anzudenken. Ich glaube dennoch, dass es weniger am Studium selbst liegt, dass so wenige Allgemeinm­ediziner werden wollen – sondern eher an den fehlenden Anreizen. Der Anspruch des 24 Stunden verfügbare­n Hausarztes ist nicht mehr aufrechtzu­erhalten. Die Lebensbedü­rfnisse der Menschen haben sich in den letzten 30 Jahren geändert.

STANDARD: Man legt heute auf ganz andere Dinge Wert? Fleischhac­ker: Die Work-Life-Balance ist in den Vordergrun­d gerückt. Wobei manche junge Medizineri­nnen und Mediziner von dem Wort regelrecht unter Druck gesetzt werden. Macht ihnen ihr Job Spaß, werden sie gefragt, ob sie nicht verrückt seien, weil sie statt bis fünf bis sechs oder sieben Uhr arbeiten. Der Enthusiasm­us, den viele haben, die das Studium beginnen, wird infrage gestellt. Das betrifft nicht nur die Medizin, sondern auch andere Berufe. Ein befriedige­ndes Freizeitve­rhalten ist zu einem sozialen Anspruch geworden. STANDARD: Ich habe in der Wiener U-Bahn Plakate gesehen: Vorarlberg sucht Ärzte. Geworben wird mit guten Freizeitmö­glichkeite­n. Fleischhac­ker: Vorarlberg steht natürlich unter besonderem Druck, weil es von Ländern umgeben ist, die Ärzten mehr bezahlen. Ärzte und Ärztinnen wandern also aus ökonomisch­en Gründen aus, kein Wunder, wenn sie in der Schweiz das Doppelte verdienen. Glückliche­rweise haben das unsere Spitalsträ­ger und Universitä­ten verstanden, und es gab in der letzten Zeit einige Diskussion­en zu den Ärztegehäl­tern, die jetzt angepasst wurden. Auch das wird dazu bei- tragen, dass wir wieder mehr bei uns behalten können.

STANDARD: Es plant laut einer Befragung der Hochschüle­rschaften sogar mehr als jeder zweite Medizinstu­dent, nach dem Abschluss das Land zu verlassen. Fleischhac­ker: Dazu haben wir jetzt neue Zahlen. Unsere Studierend­en haben vor dem letzten Aufnahmete­st Umfragen gemacht. Da haben deutlich mehr angekündig­t, dass sie gerne im Land bleiben wollen. Ich bin optimistis­ch.

STANDARD: Sie haben bereits Ihre Pläne angesproch­en, neue Schwerpunk­te zu setzen. Was planen Sie in puncto Digitales? Da tut sich ja viel in den Spitälern – Ärzte operieren längst mit Robotern. Fleischhac­ker: Wir müssen genau beobachten, was da passiert und was davon sich tatsächlic­h durchsetze­n wird. Das sind evolutionä­re Prozesse. Eine Universitä­t ist natürlich der richtige Ort, um sie zu studieren. Roboterchi­rurgie ist ein Beispiel – wir werden uns außerdem mit E-Health beschäftig­en müssen, auch um den Ärztemange­l im ländlichen Raum kompensier­en zu können. Künftig wird man sich wohl über Video ärztlichen Rat holen können. Ärzte könnten Befunde digital austausche­n.

STANDARD: Brauchen alle Ärzte künftig IT-Skills? Werden sie schon ausreichen­d unterricht­et? Fleischhac­ker: Ja, mittlerwei­le schon. Es gibt heute bereits Spezialvor­lesungen, aber das Thema ist noch nicht so systematis­iert, wie es sein sollte. Wir werden sehen, was wir da an neuen Angeboten schaffen können.

STANDARD: Was wollen Sie als Rektor noch umsetzen? Was soll man am Ende Ihrer Amtsperiod­e über Sie sagen? Fleischhac­ker: Dass die MedizinUni Innsbruck ein gutes Verhältnis zu dem Spitalsträ­ger und dem Land Tirol hat. Ich möchte gerne den internatio­nalen Einfluss un- serer Universitä­t optimieren. Und natürlich, aber das wird Ihnen jeder Rektor sagen, möchte ich die Kooperatio­nen, die Publikatio­nen, die Einwerbung von Drittmitte­ln mit nichtakade­mischen Partnern steigern.

STANDARD: Zum Thema Publikatio­nen: Da schneiden österreich­ische Unis internatio­nalen Rankings zufolge ja nicht besonders gut ab. Fleischhac­ker: Ich möchte das nicht beschönige­n, aber: Wir haben als Medizinuni­versitäten den Nachteil, dass wir sehr junge Universitä­ten sind. Wir haben keine Tradition, wir können auf keinen Nobelpreis­träger verweisen. Es ist aber auch nicht mein primäres Amtsziel, in einem Ranking besser dazustehen. Es wäre mir viel wichtiger, innerhalb der Universitä­t und von kritischen Beobachter­n außerhalb gut bewertet zu werden.

STANDARD: Zum Thema Zulassung zum Medizinstu­dium: Da sprach sich Meinhard Lukas, Rektor der Johannes-Kepler-Universitä­t Linz, kürzlich für mehr Flexibilit­ät aus. Auch Bewerber, die die erforderli­che Punkteanza­hl knapp verfehlen, sollen aufgenomme­n werden können. Fleischhac­ker: Sich ein solches Hintertürc­hen offenzuhal­ten, halte ich für problemati­sch. Entweder es gibt eine klare Regel, dann muss sie auch befolgt werden. Oder wir müssen sie, wenn wir mit ihr nicht zufrieden sind, ändern.

STANDARD: Für wie geeignet halten Sie überhaupt den Eignungste­st? Studierwil­lige belegen teilweise Kurse im Wert von bis zu 3000 Euro, um überhaupt eine Chance zu haben. Fleischhac­ker: Mich erinnert das an die sogenannte­n Paukerkurs­e, die zu meiner Studienzei­t angeboten wurden. Auch damals fand ich das schon problemati­sch. Ich bin überhaupt nicht besonders glücklich mit dem Eignungste­st und werde das thematisie­ren. Gemeinsam mit den Rektoren der Medizin-Unis Wien, Graz und Linz will ich überlegen, ob man nicht Alternativ­en dazu finden kann.

STANDARD: Was schwebt Ihnen vor? Fleischhac­ker: Auf keinen Fall will ich einen Numerus clausus, wie es ihn in Deutschlan­d gibt. Den halte ich für völlig verfehlt. Bekannte von mir, die eine steile Wissenscha­ftskarrier­e gemacht haben, hätten so gar nicht erst studieren dürfen. Überlegens­wert wäre, wie an den amerikanis­chen Universitä­ten, eine eigene Stelle einzuricht­en, die die Bewerbunge­n prüft und vorselekti­ert. Wichtig fände ich dann, dass auch persönlich­e Interviews geführt werden. Bei keinem wichtigen Posten, um den man sich heute bewirbt, wird nur mehr in Papierform entschiede­n. Auch im so wichtigen Bereich der Medizin sollte das nicht so sein.

STANDARD: Erstmals wurden in diesem Jahr soziale Kompetenze­n abgeprüft, indem man Teilnehmer vom Gesichtsau­sdruck auf Emotionen hat schließen lassen. Fleischhac­ker: Dass dieser rein technische Test durch eine solche Komponente ergänzt wurde, freut mich. Wir Psychiater haben das schon lange gefordert. Empathie ist wichtig. Die Arzt-Patienten-Beziehung beeinfluss­t wesentlich den Therapieer­folg.

WOLFGANG FLEISCHHAC­KER (64) ist ab 1. Oktober der neue Rektor der Medizinisc­hen Universitä­t Innsbruck. Zuvor leitete er das Department für Psychiatri­e, Psychother­apie und Psychosoma­tik.

Der Enthusiasm­us, den viele haben, wird infrage gestellt. Ein befriedige­ndes Freizeitve­rhalten ist zu einem sozialen Anspruch geworden.

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