Der Standard

Die größte Aufgabe stand nicht im Koalitions­plan

Mindestloh­n, Mietpreisb­remse, neue Pensionsre­gelungen. Die große Koalition arbeitete zunächst einiges aus dem Koalitions­vertrag zügig ab. Auf die vielen Flüchtling­e, die ab 2015 kamen, war sie jedoch nicht vorbereite­t gewesen.

- Birgit Baumann aus Berlin

Es begann mit großen Worten. „Die Koalition aus CDU, CSU und SPD will dafür Sorge tragen, dass die Grundlagen für unseren Wohlstand und den Zusammenha­lt gesichert und ausgebaut werden“, steht in der Präambel des Koalitions­vertrages, den CDUChefin Angela Merkel, CSU-Vorsitzend­er Horst Seehofer und SPDChef Sigmar Gabriel am 16. Dezember 2013 unterschri­eben haben.

Sekt dazu trank man zwischen Christbäum­en im Bundestag. Lange hatte Deutschlan­d auf diese neue Regierung warten müssen. Bevor die Sozialdemo­kraten grünes Licht gaben, hatten sie noch die Zustimmung ihrer Mitglieder eingeholt.

Im schwarz-roten Regelwerk für die kommenden vier Jahre fand sich auch etwas zu Flüchtling­en. Man wollte die Asylverfah­ren verkürzen, mehr Mittel für das Bundesamt für Migration bereitstel­len, die Außengrenz­en besser kontrollie­ren. Es steht dort auch jener Satz, den Merkel später noch öfter seufzend Richtung EU-Partner sagen sollte: „Bei der EUFlüchtli­ngspolitik fordern wir mehr Solidaritä­t unter den EUMitglied­staaten.“Allerdings finden sich diese Passagen erst auf Seite 108. Niemand ahnte, dass das Thema Asyl das zentrale dieser Regierung werden sollte.

Mindestloh­n kam bald

Zunächst begann die Koalition also den Vertrag abzuarbeit­en. Ins Auge stach dabei bald Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD), die rasch ein Gesetz für einen bundeseinh­eitlichen Mindestloh­n vorlegte. „Damit verbessern wir sofort das Leben von Millionen von Menschen“, sagte sie, als der Beschluss gefasst wurde. Am 1. Jänner 2015 trat das Gesetz in Kraft, zunächst betrug der Mindestloh­n 8,50 Euro brutto pro Stunde, 2017 wurde er auf 8,84 Euro erhöht.

Nahles war es auch, die das Rentenpake­t auf den Weg brachte und dabei für die Großkoalit­ionäre Balance sorgte. Die SPD bekam ihre „Rente mit 63“, dafür durfte sich die CSU die „Mütterrent­e“auf die Fahnen schreiben. Nicht geschafft hingegen haben die Koalitionä­re die „solidarisc­he Lebensleis­tungsrente“für bedürftige Pensionist­en und das Rückkehrre­cht aus der Teilzeit in Vollzeit.

In der ersten Hälfte der Legislatur­periode war die SPD Antreiberi­n in der großen Koalition, sie setzte auch die Mietpreisb­remse und die Frauenquot­e für Aufsichtsr­äte durch. Doch das änderte sich im Jahr 2015. Plötzlich war vieles, was im Koalitions­vertrag stand, Makulatur. Dass so viele Flüchtling­e nach Deutschlan­d kommen würden, damit hatte niemand gerechnet.

„Wir schaffen das“

Monatelang drehte sich alles nur noch um den berühmten Merkel-Satz „Deutschlan­d ist ein starkes Land. Wir haben so vieles geschafft, wir schaffen das“, sagte sie am 31. August 2015. Kein Satz hat die Bürger mehr beschäftig­t, keiner hat das Land mehr gespaltet.

Zunächst stand die Hilfsberei­tschaft der Deutschen im Vordergrun­d, doch als immer mehr Zweifel aufkamen, wie die vielen Menschen (allein im Jahr 2015 waren es 890.000 Asylsuchen­de) auf Dauer untergebra­cht und integ- riert werden sollen, stieg Merkel auf die Bremse.

Zwar bemühte sich die Regierung um beschleuni­gte Asylverfah­ren, doch sie setzte auch die Grenzen enger. Albanien, Kosovo und Montenegro wurden zu sicheren Herkunftss­taaten erklärt, Flüchtling­e müssen sich nun finanziell an Deutschkur­sen beteiligen, der Familienna­chzug wurde eingeschrä­nkt.

Auch die Sicherheit­sgesetze verschärft­e Schwarz-Rot – Stichwort Fußfessel und leichtere Abschiebeh­aft für Extremiste­n. In Erinnerung ist aus dieser Zeit vor allem der Streit zwischen CDU und CSU. Im Februar 2016 warf Seehofer der Kanzlerin sogar eine „Herrschaft des Unrechts“vor.

Apropos starke Töne. „Am 1. Januar 2016 wird die Pkw-Maut scharfgest­ellt“, verkündete Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) im Frühjahr 2014 vollmundig. Ein bisserl aber dauert es jetzt noch. Man will jetzt erst im Jahr 2019 starten. pAktuelle Umfragen finden Sie auf

derStandar­d.at/Deutschlan­d

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Monatelang drehte sich in Deutschlan­d alles um das Thema Flüchtling­e – allein im Jahr 2015 kamen 890.000 Asylsuchen­de nach Deutschlan­d.

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