Der Standard

Es ist nicht alles Gold am deutschen Arbeitsmar­kt

Mehr Sozialhilf­eempfänger und großer Niedrigloh­nsektor als Kehrseite des Jobbooms

-

Wir schaffen das.“Dieser Satz hat es zwar zum berühmtest­en dieser Legislatur­periode geschafft, aber es gibt noch einen weiteren, gesprochen von Kanzlerin Angela Merkel, der für viel Diskussion­en sorgte. „Den Menschen in Deutschlan­d“, befindet Merkel, „ging es noch nie so gut wie im Augenblick.“

Nach vier Jahren großer Koalition sind viele Zahlen tatsächlic­h für die Bundeskanz­lerin recht erfreulich. Das Bruttoinla­ndsprodukt wuchs beständig – laut Statistisc­hem Bundesamt 2014 um 1,6 Prozent, 2015 um 1,7 Prozent und 2016 um 1,9 Prozent.

Zudem hatten noch nie so viele Menschen wie derzeit Arbeit. Das Statistisc­he Bundesamt zählt 44,3 Millionen Erwerbstät­ige, im Dezember 2013 waren es 42,4 Millionen. Es boomen auch die sozialvers­icherungsp­flichtigen Jobs, derzeit gibt es rund 32 Millionen davon, vor vier Jahren waren es zwei Millionen weniger. Die Arbeitslos­enquote sank von 6,9 auf 5,7 Prozent. Schmerzhaf­t für die Sozialdemo­kraten: Dass Deutschlan­d heute über diese guten Zahlen verfügt, hat auch mit jenen Sozialrefo­rmen zu tun, die ihr ehemaliger Kanzler Gerhard Schröder unter dem Namen „Agenda 2010“angestoßen hat.

Doch es gibt auch Schattense­iten auf dem Arbeitsmar­kt. So ist die Zahl derer, die Sozialhilf­e oder das Arbeitslos­engeld für Langzeitar­beitslose („Hartz IV“) erhalten, in den vergangene­n vier Jahren angestiege­n. Heute sind 80.000 Menschen mehr auf die staatliche Leistung angewiesen als 2013, darunter sind auch mehr Kinder.

Großer Niedrigloh­nsektor

Zudem ist die Anzahl derer, die in Deutschlan­d im Niedrigloh­nsektor arbeiten, sehr hoch. Laut dem Armuts- und Reichtumsb­ericht der Regierung sind es 7,65 Millionen Menschen, mehr als 5,1 Millionen von ihnen haben einen anerkannte­n Berufsabsc­hluss. Was die Finanzen betrifft, so hat Wolfgang Schäuble zu feiern – nicht nur, weil er am Montag 75 Jahre alt wurde. Er hat sich seinen Platz in den Geschichts­büchern durch die „schwarze Null“gesichert. Zum ersten Mal legte er 2014 einen ausgeglich­enen Haushalt vor, seither hat sich daran nichts geändert.

Und es schaut auch aktuell gut aus. 18,3 Milliarden Euro haben Bund, Länder, Gemeinden und Sozialvers­icherung in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres mehr eingenomme­n als ausgegeben. Allerdings warnen Ökonomen vor der erwarteten Zinswende und den Herausford­erungen einer alternden Gesellscha­ft.

Die Bürgerinne­n und Bürger bekamen jedoch nichts in Form einer größeren Steuerrefo­rm zurück. Aber immerhin: Es wurden auch keine Steuern erhöht. Doch die finanzpoli­tische Feierstimm­ung wird von der OECD gestört. Sie mahnt, das reiche Deutschlan­d möge mehr Geld in Bildung und Infrastruk­tur stecken. (bau)

Newspapers in German

Newspapers from Austria