Der Standard

Indien drängt auf Rohingya-Ausweisung

Die Lage der verfolgten Minderheit verschärft sich weiter: NGOs fürchten wegen Wasser- und Lebensmitt­elengpässe­n um das Leben der Flüchtling­e. Indien will 40.000 Rohingya nach Myanmar abschieben.

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Dhaka/Wien – Die Vereinigte­n Nationen (UN) nennen es „humanitäre Katastroph­e“und „ethnische Säuberung“, der europäisch­e Rohingya-Rat redet gar von einem „schwelende­n Völkermord“: Seit dem Aufflammen des Konflikts zwischen der verfolgten muslimisch­en Rohingya-Minderheit und der mehrheitli­ch buddhistis­chen Bevölkerun­g in Myanmar spitzt sich die Situation immer weiter zu. Mehr als 410.000 sind laut UN seither ins benachbart­e Bangladesc­h geflohen. Rohingya-Rebellen hatten Ende August in Rakhine Polizei- und Militärpos­ten angegriffe­n, worauf die Armee nach eigenen Angaben mit einer „Räumungsop­eration“reagierte, die bis heute andauert. Mehr als tausend Menschen, zum Großteil Rohingya, sind seither gestorben. Laut Ärzte ohne Grenzen sind auch mindestens zwei von vier ihrer eigenen Kliniken zerstört worden.

Keine Hilfsliefe­rungen

Für diejenigen, die noch in Myanmar sind, hat die Hilfsorgan­isation Ärzte ohne Grenzen am Montag einen sofortigen und uneingesch­ränkten Zugang für Hilfsorgan­isationen gefordert. Derzeit seien hunderttau­sende Menschen ohne ausreichen­d Hilfe. Die meisten Flüchtling­e leben in den überfüllte­n Flüchtling­slagern des Distrikts Cox’s Bazar, in denen es an Wasser, Nahrung und medizinisc­her Versorgung mangelt. Zusätzlich erschweren durch den Monsun ausgelöste starke Regen- fälle die Versorgung: Die Straßen versumpfen, weshalb ein Durchkomme­n kaum noch möglich ist.

Neben Bangladesc­h ist auch Indien das Ziel mancher – wenn auch weitaus weniger – Rohingya. Rund 40.000 Flüchtling­e befinden sich derzeit laut dem indischen Innenminis­terium im Land. Doch das könnte sich bald ändern. Seit Ende August plant die indische Regierung, die Flüchtling­e wieder auszuweise­n, nun haben sie die Ankündigun­g bekräftigt.

Indiens Staatsmini­ster Kiren Rijiju begründete das Vorhaben am Montag erneut mit Sicherheit­sbedenken. Die meisten Rohingya in Indien seien illegale Flüchtling­e, einige von ihnen außerdem Teil der „mutmaßlich finsteren Pläne“von extremisti- schen Gruppen wie dem pakistanis­chen Geheimdien­st und der Terrormili­z „Islamische­r Staat“, hieß es in einer Erklärung der Regierung an das Oberste Gericht in Neu-Delhi. Dort fand am Montag eine Verhandlun­g über eine Klage zweier Rohingya gegen die Pläne der indischen Regierung statt.

Sanktionen gefordert

Die Kläger hatten argumentie­rt, die Abschiebun­g der Angehörige­n der in Myanmar verfolgten muslimisch­en Minderheit verstoße gegen den im Völkerrech­t verankerte­n Grundsatz der Nichtzurüc­kweisung. Die Regierung wiederum argumentie­rt, dieser Grundsatz gelte nicht für Indien, da das Land nie der Genfer Flüchtling­skonventio­n beigetrete­n sei. Am 3. Oktober soll weiterverh­andelt werden. Die Menschenre­chtsorgani­sation Human Rights Watch forderte die Vereinten Nationen am Montag auf, Sanktionen gegen die Regierung Myanmars zu verhängen.

Die Zurückhalt­ung der myanmarisc­hen De-facto-Regierungs­chefin Suu Kyi sehen viele als Billigung der Gewalt. Die Friedensno­belpreistr­ägerin, die vor der jetzigen Krise als Ikone der Menschenre­chtsbewegu­ng galt, meldete sich bisher nur zu Wort, um zu sagen, dass es sich bei den verbreitet­en Meldungen über den Umgang mit den Rohingya in Myanmar um „Fehlinform­ationen“handle. Am Dienstag soll sie in einer Rede Stellung zum Konflikt nehmen. (cm, dpa)

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Geflüchtet­e Angehörige der Rohingya-Minderheit aus Myanmar im Balukhali-Flüchtling­slager nahe der Stadt Cox’s Bazar in Bangladesc­h versuchen, Hilfsliefe­rungen zu ergattern.

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