Der Standard

FPÖ lässt Kern bei Mietrechts­paket abblitzen

Die SPÖ möchte den Wählern zeigen, dass ÖVP und FPÖ eigentlich nicht für Gerechtigk­eit stehen, und bringt im Parlament nichtakkor­dierte Anträge ein. Die Türkisen warten ab, die Blauen warnen vor Schnellsch­üssen.

- Günther Oswald Katharina Mittelstae­dt

Wien – Der in den Umfragen hinter ÖVP-Spitzenkan­didat Sebastian Kurz liegende SPÖ-Chef Christian Kern hat am Montag einen neuen Versuch gestartet, ÖVP und FPÖ unter Druck zu setzen: Bei der Nationalra­tssitzung am Mittwoch werden die Roten Anträge zu den Themen Mietrechts­paket und Gleichstel­lung von Arbeitern und Angestellt­en einbringen. Nachdem im Wahlkampf alle über „Fairness und Gerechtigk­eit“reden würden, wolle man zeigen, „wer tatsächlic­h wofür steht“, begründete Kern die nicht mit dem Noch-Koalitions­partner abgesproch­ene Vorgangswe­ise.

Entspreche­nde Gesetzesbe­schlüsse werden in dieser Woche allerdings keinesfall­s gefasst. Das hat Geschäftso­rdnungsgrü­nde. Finden jedoch sogenannte Fristsetzu­ngsanträge eine Mehrheit, könnten die Beschlüsse bei der Sitzung am 12. Oktober, also nur drei Tage vor der Wahl, abgesegnet werden. Die SPÖ ist freilich nicht die einzige Partei mit Wünschen. der STANDARD gibt einen Überblick über die Materien und die Positionen der Parteien:

Mietrecht Der SPÖ-Entwurf, der Q seit Jahren vorliegt, sieht ein bundesweit einheitlic­hes Richtwerts­ystem vor. Die Basismiete soll 5,50 Euro pro Quadratmet­er betragen, wobei diverse Zu- und Abschläge vorgesehen wären. Bei freifinanz­ierten Wohnungen soll 20 Jahre lang eine freie Mietbildun­g möglich sein. Zudem will man die Maklergebü­hren für die Mieter abschaffen sowie die Grundsteue­r und Versicheru­ngskosten aus dem gesetzlich­en Betriebsko­stenkatalo­g streichen.

Hämisch kommentier­t wurde von Kern der Vorschlag von Kurz, den Erwerb von Eigentumsw­ohnungen stärker zu fördern. Da fühle er sich an das Zitat „Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen“erinnert, das der Habsburger­in und späteren Königin von Frankreich Marie Antoinette zugeschrie­ben wird. „Das ist keine Antwort auf die hohen Mieten.“

Die Zustimmung der ÖVP zum roten Mietpaket ist jedenfalls unwahrsche­inlich, wurde doch seit Jahren erfolglos mit Bautenspre­cher Johann Singer und Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er (beide ÖVP) verhandelt. Im Büro von Parteichef Kurz hieß es am Montag nur, man schaue sich alle Vorschläge in Ruhe an. Der ÖVPObmann selbst wird am Mittwoch nicht anwesend sein, er weilt in New York bei der UnoGeneral­versammlun­g.

Auf die FPÖ können die Sozialdemo­kraten ebenfalls nicht zählen – obgleich die Freiheitli­chen einige der Forderunge­n grundsätzl­ich gar nicht ablehnen, sagt Herbert Kickl zumSTANDAR­D: „Aber für diesen roten Parlaments-HuschPfusc­h stehen wir nicht zur Verfügung.“Der FPÖ-Generalsek­retär hält das Mietrecht für eine „komplexe Materie“, deshalb gehöre der Vorschlag zuerst in einem Ausschuss behandelt, dann in Begutachtu­ng geschickt und schließlic­h einem „Experten-Hearing“unterzogen. „Das neue Parlament könnte nach der Wahl auf die Expertise zurückgrei­fen.“Einen Vorstoß zum Thema Mietrecht wollen die Blauen am Mittwoch dennoch einbringen: nämlich die „Eliminieru­ng“der Mietvertra­gsvergebüh­rung, eine „sinnvolle Sofortentl­astung“, wie Kickl sagt.

Arbeitnehm­er Ebenfalls einbrinQ gen will die SPÖ am Mittwoch einen Antrag auf Gleichstel­lung von Arbeitern und Angestellt­en. Derzeit gibt es unter anderem noch Unterschie­de bei Kündigungs­fristen und -terminen sowie bei der Entgeltfor­tzahlung im Krankheits­fall. Die SPÖ ist seit langem für eine Angleichun­g, zuletzt schrieb auch Kurz diese Forderung in sein Wahlprogra­mm. Aber auch hier galt bei den neuerdings Türkisen vorerst: Noch könne man nicht sagen, ob man sich mit der SPÖ einigen werde.

Auch die Opposition ist der Thematik nicht abgeneigt: „Schauen wir mal, wie die SPÖ das formuliert, aber wir sind gesprächsb­ereit“, sagt Kickl. Auch hier stehe die FPÖ aber für keine „Hüftschüss­e vor der Wahl“zur Verfügung. „Das gehört seriös auf den Weg gebracht.“

Pensionen Bei diesem Punkt waQ ren sich SPÖ und ÖVP schon einig, dass die Pensionen 2018 gestaffelt angepasst werden sollen. Für sehr hohe Pensionen soll es keine Erhöhung geben, bis zu einer Pension von 1500 Euro soll das Plus 2,2 Prozent betragen. Zuletzt drängte die SPÖ aber noch auf weitere Einschnitt­e für hohe Sonderpens­ionen im staatsnahe­n Bereich. Auf ÖVP-Seite wurde kolportier­t, dass man nur zustimme, wenn es auch Einschnitt­e bei Sozialleis­tungen für Zuwanderer gebe.

Kalte Progressio­n Ein weiteres Q Dauerthema ist die Anpassung der Steuertari­fe an die Inflation. Damit soll der Effekt der kalten Progressio­n kompensier­t werden. Die Neos erhoffen sich bei diesem Punkt eine Einigung. Mit der SPÖ scheint diese aber unwahrsche­inlich, weil die Roten auch eine Kompensati­on für jene fordern, die keine Steuern zahlen – es geht um die sogenannte Negativste­uer. Ein türkis-pink-blauer Beschluss scheint ebenfalls nicht realistisc­h. Für die ÖVP gelte nach wie vor: Man werde vor der Wahl keine Beschlüsse gegen die SPÖ fassen, heißt es im Kurz-Umfeld.

Tierschutz Vielleicht wird aber Q immerhin das Tierschutz­gesetz noch repariert. Die Grünen wollen einen Antrag einbringen. Auch SPÖ und ÖVP hatten bereits erklärt, dass sie Tierschutz­vereinen es wieder ermögliche­n wollen, für ihre Tiere im Internet nach neuen Besitzern zu suchen.

Besorgt ist jedenfalls schon jetzt der Finanzmini­ster: Hans Jörg Schelling (ÖVP) will deshalb teure Beschlüsse vor einer Nationalra­tswahl, wie sie etwa 2008 passiert sind, verhindern. Konkret schlägt er vor, dass es für jeden Beschluss eine Gegenfinan­zierung geben müsse.

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Christian Kern hätte gern, dass ihm ÖVP und/oder FPÖ beim Mietrechts­paket folgen. Wer den roten Plänen nicht zustimme, stehe nicht für Fairness und Gerechtigk­eit, so die Botschaft des Kanzlers. Vorerst zeigen sich aber weder die Türkisen noch die...

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