FPÖ lässt Kern bei Mietrechtspaket abblitzen
Die SPÖ möchte den Wählern zeigen, dass ÖVP und FPÖ eigentlich nicht für Gerechtigkeit stehen, und bringt im Parlament nichtakkordierte Anträge ein. Die Türkisen warten ab, die Blauen warnen vor Schnellschüssen.
Wien – Der in den Umfragen hinter ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz liegende SPÖ-Chef Christian Kern hat am Montag einen neuen Versuch gestartet, ÖVP und FPÖ unter Druck zu setzen: Bei der Nationalratssitzung am Mittwoch werden die Roten Anträge zu den Themen Mietrechtspaket und Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten einbringen. Nachdem im Wahlkampf alle über „Fairness und Gerechtigkeit“reden würden, wolle man zeigen, „wer tatsächlich wofür steht“, begründete Kern die nicht mit dem Noch-Koalitionspartner abgesprochene Vorgangsweise.
Entsprechende Gesetzesbeschlüsse werden in dieser Woche allerdings keinesfalls gefasst. Das hat Geschäftsordnungsgründe. Finden jedoch sogenannte Fristsetzungsanträge eine Mehrheit, könnten die Beschlüsse bei der Sitzung am 12. Oktober, also nur drei Tage vor der Wahl, abgesegnet werden. Die SPÖ ist freilich nicht die einzige Partei mit Wünschen. der STANDARD gibt einen Überblick über die Materien und die Positionen der Parteien:
Mietrecht Der SPÖ-Entwurf, der Q seit Jahren vorliegt, sieht ein bundesweit einheitliches Richtwertsystem vor. Die Basismiete soll 5,50 Euro pro Quadratmeter betragen, wobei diverse Zu- und Abschläge vorgesehen wären. Bei freifinanzierten Wohnungen soll 20 Jahre lang eine freie Mietbildung möglich sein. Zudem will man die Maklergebühren für die Mieter abschaffen sowie die Grundsteuer und Versicherungskosten aus dem gesetzlichen Betriebskostenkatalog streichen.
Hämisch kommentiert wurde von Kern der Vorschlag von Kurz, den Erwerb von Eigentumswohnungen stärker zu fördern. Da fühle er sich an das Zitat „Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen“erinnert, das der Habsburgerin und späteren Königin von Frankreich Marie Antoinette zugeschrieben wird. „Das ist keine Antwort auf die hohen Mieten.“
Die Zustimmung der ÖVP zum roten Mietpaket ist jedenfalls unwahrscheinlich, wurde doch seit Jahren erfolglos mit Bautensprecher Johann Singer und Justizminister Wolfgang Brandstetter (beide ÖVP) verhandelt. Im Büro von Parteichef Kurz hieß es am Montag nur, man schaue sich alle Vorschläge in Ruhe an. Der ÖVPObmann selbst wird am Mittwoch nicht anwesend sein, er weilt in New York bei der UnoGeneralversammlung.
Auf die FPÖ können die Sozialdemokraten ebenfalls nicht zählen – obgleich die Freiheitlichen einige der Forderungen grundsätzlich gar nicht ablehnen, sagt Herbert Kickl zumSTANDARD: „Aber für diesen roten Parlaments-HuschPfusch stehen wir nicht zur Verfügung.“Der FPÖ-Generalsekretär hält das Mietrecht für eine „komplexe Materie“, deshalb gehöre der Vorschlag zuerst in einem Ausschuss behandelt, dann in Begutachtung geschickt und schließlich einem „Experten-Hearing“unterzogen. „Das neue Parlament könnte nach der Wahl auf die Expertise zurückgreifen.“Einen Vorstoß zum Thema Mietrecht wollen die Blauen am Mittwoch dennoch einbringen: nämlich die „Eliminierung“der Mietvertragsvergebührung, eine „sinnvolle Sofortentlastung“, wie Kickl sagt.
Arbeitnehmer Ebenfalls einbrinQ gen will die SPÖ am Mittwoch einen Antrag auf Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. Derzeit gibt es unter anderem noch Unterschiede bei Kündigungsfristen und -terminen sowie bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die SPÖ ist seit langem für eine Angleichung, zuletzt schrieb auch Kurz diese Forderung in sein Wahlprogramm. Aber auch hier galt bei den neuerdings Türkisen vorerst: Noch könne man nicht sagen, ob man sich mit der SPÖ einigen werde.
Auch die Opposition ist der Thematik nicht abgeneigt: „Schauen wir mal, wie die SPÖ das formuliert, aber wir sind gesprächsbereit“, sagt Kickl. Auch hier stehe die FPÖ aber für keine „Hüftschüsse vor der Wahl“zur Verfügung. „Das gehört seriös auf den Weg gebracht.“
Pensionen Bei diesem Punkt waQ ren sich SPÖ und ÖVP schon einig, dass die Pensionen 2018 gestaffelt angepasst werden sollen. Für sehr hohe Pensionen soll es keine Erhöhung geben, bis zu einer Pension von 1500 Euro soll das Plus 2,2 Prozent betragen. Zuletzt drängte die SPÖ aber noch auf weitere Einschnitte für hohe Sonderpensionen im staatsnahen Bereich. Auf ÖVP-Seite wurde kolportiert, dass man nur zustimme, wenn es auch Einschnitte bei Sozialleistungen für Zuwanderer gebe.
Kalte Progression Ein weiteres Q Dauerthema ist die Anpassung der Steuertarife an die Inflation. Damit soll der Effekt der kalten Progression kompensiert werden. Die Neos erhoffen sich bei diesem Punkt eine Einigung. Mit der SPÖ scheint diese aber unwahrscheinlich, weil die Roten auch eine Kompensation für jene fordern, die keine Steuern zahlen – es geht um die sogenannte Negativsteuer. Ein türkis-pink-blauer Beschluss scheint ebenfalls nicht realistisch. Für die ÖVP gelte nach wie vor: Man werde vor der Wahl keine Beschlüsse gegen die SPÖ fassen, heißt es im Kurz-Umfeld.
Tierschutz Vielleicht wird aber Q immerhin das Tierschutzgesetz noch repariert. Die Grünen wollen einen Antrag einbringen. Auch SPÖ und ÖVP hatten bereits erklärt, dass sie Tierschutzvereinen es wieder ermöglichen wollen, für ihre Tiere im Internet nach neuen Besitzern zu suchen.
Besorgt ist jedenfalls schon jetzt der Finanzminister: Hans Jörg Schelling (ÖVP) will deshalb teure Beschlüsse vor einer Nationalratswahl, wie sie etwa 2008 passiert sind, verhindern. Konkret schlägt er vor, dass es für jeden Beschluss eine Gegenfinanzierung geben müsse.