Was Kinder wirklich brauchen
Sozialexperten warnen vor verzerrter Berichterstattung
Wien – „Wie es ihnen dabei geht, den kranken Papa zu pflegen. Was es bedeutet, in feuchten Wohnungen zu wohnen. Wie das ist mit Freunden. Wie die Mama es schafft mit drei Jobs. Oder was es heißt, mit Mindestsicherung zu leben“, das seien laut Sozialexperte Martin Schenk die brennenden Fragen, die sich die Gesellschaft im Zusammenhang mit Kindern stellen müsse. Medial kommen Kinder aber meist ganz anders vor.
Kalte, feuchte Wohnungen
Schenk wies am Montag bei einem Pressegespräch mit Volksanwalt Günther Kräuter und Medienanalytikern Maria Pernegger auf Probleme von Kindern und Jugendlichen hin, die in Österreich in Armut leben. 52.000 leben in Haushalten, in denen nicht ausreichend geheizt werden kann, 171.000 können aufgrund der finanziellen Situation kaum Freunde zu sich einladen, 234.000 Kinder leben in überbelegten Wohnungen und 223.000 in feuchten, schimmligen Zimmern. Letzteres wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus, etwa durch Atemwegserkrankungen. Weitere gesundheitliche Beschwerden seien nervöse Symptome wie Kopfweh, Einschlafstörungen und Karies.
Armut hat auch Einfluss auf die Bildung: Zehn Prozent der Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommen müssen auf Schulaktivitäten, die extra kosten, verzichten, fast die Hälfte kann nicht einmal eine Woche auf Urlaub fahren. Schenk zitiert Zahlen von der Statistik Austria, einer Studie der WU Wien sowie einer weiteren von der Armutskonferenz und der Liga für Kindergesundheit.
Medial sind Kinder aber mit anderen Themen präsent, wie Pernegger anhand einer Studie, für die sie sechs Zeitungen in ihrer Printversion und anhand der Facebook-Auftritte untersuchte. Vor allem im Boulevard überwiegen negative Nachrichten, Positivbeispiele kämen kaum vor. Zudem würden Kinder fast nie selbst zu Themen befragt, was eigentlich ein wesentlicher Bestandteil der Kinderrechte sei, so Pernegger.
Wird über sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche berichtet, so spielt der Bildungsbereich eine Hauptrolle, und da vor allem Nachhilfe oder Flüchtlingskinder im Schulsystem. „Dieser Wahlkampf macht auch vor den Kindern nicht halt“, sagt Pernegger. Wenn über Kinder mit Migrationshintergrund berichtet wird, so meist in Zusammenhang mit Jugendkriminalität, Schul- oder Sprachproblemen. Positive Beispiele sind offenbar selten eine Geschichte wert – obwohl es sie gibt.
Das Thema Charity ist dafür stark mit „österreichischen“Kindern besetzt. Es gibt auch eine „Geschlechterfalle“, so die Medienexpertin: Zu 65 Prozent werde über Buben berichtet. Für Volksanwalt Kräuter ist die Botschaft klar: Es gehe „um andere Perspektiven. Wir wünschen uns, dass sich das neu gewählte Parlament und die Regierung mit den echten Problemen beschäftigen.“