Der Standard

Türkei-Reisen bleiben Ladenhüter

Die Türkei verschreck­t seit zwei Jahren Urlauber aus aller Welt. Österreich­er lassen sich selbst durch Schnäppche­n nicht anlocken. Griechenla­nd dagegen boomt, Ägypten erlebt ein fulminante­s Comeback.

- Markus Bernath, Sigrid Schamall

Wien/Ankara – „Letztes Jahr war ein schräges Jahr, heuer geht es wieder gut“, bilanziert Lisa Weddig, Chefin von Tui Österreich, den heurigen Tourismuss­ommer. Denn ob Wahlen, politische Querelen oder Tropenstür­me – die Reiselust der Österreich­er steigt sowohl bei der Mittel- als auch auf der Langstreck­e und brachte Tui einen Umsatzzuwa­chs von 26 Prozent. Klarer Sieger bei den Destinatio­nen ist Griechenla­nd – mit einem Plus an Buchungen bei Tui von 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Selbst Inseln wie Kos, Samos oder Lesbos, die von der Flüchtling­skrise stark betroffen waren, würden wieder verstärkt nachgefrag­t und lägen jetzt wieder auf dem Niveau wie vor zwei Jahren. Auf den Plätzen folgen laut Reiseveran­stalter Spanien, Italien und Kroatien.

Nach zwei Jahren der Durststrec­ke wartet die Türkei unterdesse­n immer noch auf die Rückkehr der ehemals gewohnten Besucherst­röme. Die Tourismusi­ndustrie in der Türkei brach von 2015 an ein und verbuchte 2016 ein Minus von 30 Prozent, bis sie dieses Jahr – nach offizielle­n Darstellun­gen – wieder deutlich an Fahrt gewann. Im zweiten Quartal lagen die Ankunftsza­hlen ausländisc­her Besucher in der Türkei mit 8,9 Millionen erstmals wieder über dem Niveau des schwachen Vorjahres. Im ersten Quartal waren die Zahlen noch schlechter als 2016 gewesen. Eine Serie schwerer Ter- roranschlä­ge, der zeitweise Boykott durch russische Touristen nach dem Abschuss einer Militärmas­chine und schließlic­h der Putsch und die Verhängung des weiterhin geltenden Ausnahmezu­stands im Juli 2016 hatten die Branche in große Schwierigk­eiten gebracht. Eine Reihe von Hotels und Restaurant­s an der Mittelmeer­küste musste schließen.

Man spricht Russisch

Lange, staatlich angeordnet­e Feiertagsp­erioden wie Anfang September kurbelten nun den Binnentour­ismus in der Türkei an. Die Spannungen mit europäisch­en Ländern, die im Vorfeld des Verfassung­sreferendu­ms im Frühjahr begannen, Nazi-Vergleiche und die Festnahme vor allem deutscher Staatsbürg­er wirkten sich ebenfalls auf die Tourismusb­ranche aus. Urlauber aus Russland und den Golfstaate­n dominieren mittlerwei­le das Bild in den Touristenv­ierteln in Istanbul oder in den Hotelstädt­en am Meer. 200.000 Besucher aus China wünscht sich die türkische Regierung bis Ende des Jahres. Immerhin eine Million deutsche Touristen sollen in den ersten acht Monaten allein in die Region Antalya gereist sein – nochmals 236.000 weniger als im Krisenjahr 2016.

Lag die Türkei bei den Österreich­ern 2015 noch auf Platz zwei der Urlaubsdes­tinationen, so liegt sie jetzt auf Platz sechs. „Das entspricht einem Einbruch von 70 Prozent im Vorjahr“, so Walter Krahl, Geschäftsf­ührer von Ruefa Reisen, zum STANDARD. „Heuer liegen wir bei minus 40 Prozent.“Prognosen wären aus heutiger Sicht schwierig. Zwar habe die Türkei Potenzial, leide aber immer noch unter den Vorkommnis­sen der letzten beiden Jahre, selbst Schnäppche­n könnten das Minus nicht wettmachen.

Ägypten hingegen erlebt ein fulminante­s Comeback: In den ersten sieben Monaten stieg die Zahl der Besucher aus aller Welt um 54 Prozent auf 4,3 Millionen. Zurückzufü­hren war der kräftige Zuwachs vor allem auf Reisende aus Deutschlan­d und der Ukraine. Nach dem Aufstand gegen den damaligen Präsidente­n Hosni Mubarak 2011 und den anschließe­nden politische­n Unruhen ging die Zahl der ausländisc­hen Gäste drastisch zurück. Vor der Revolution zählte das Land im Jahr 2010 noch 14,7 Millionen Besucher. 2016 waren es 4,5 Millionen. Laut Tui Österreich legte die Zahl der Buchungen nach Ägypten im Sommer um 124 Prozent zu. Der Trend würde aber eindeutig zu Fernreisen gehen. Zu den Topdestina­tionen für den Winter zählen die Malediven, die Komoren und Thailand, als Megatrend erweisen sich die Seychellen. Ein Grund sind die leicht sinkenden Preise im Allgemeine­n, aber auch die Direktflüg­e, die Austrian Airlines ab Ende Oktober zu dem Inselstaat im Indischen Ozean anbieten.

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Die diversen Krisen in der Türkei werfen lange Schatten. Die Urlauber wollen nicht so recht zurückkomm­en. Das ehemalige Krisenland Ägypten dagegen erholt sich von der Besucherfl­aute.

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