Der Standard

Eine Ökumene des Grapschens

- Ljubiša Tošić

Premiere von Mozarts „Zauberflöt­e“im Theater an der Wien: Regisseur Torsten Fischer setzt auf Themen wie Erotik, Freiheit und religiöse Vielfalt. Der Inszenieru­ng stand eher glanzlose vokale Kunst gegenüber. Wien – Auch im Theater an der Wien geht es von der Dunkelheit der Ängste und Konflikte Richtung Mozarts Sonnenlich­t der Versöhnung. Auf dem Weg dorthin wird die Zauberflöt­e jedoch zum Hort des Begehrens – mit besonderer Berücksich­tigung des Grapschens. Es „schätzt“hier quasi jeder jeden: Die gefährlich­e Schlange wird von einer Gruppe Tamino abtastende­r Damen ersetzt, zu denen sich die drei Ladys der Nachtkönig­in gesellen. Auch sie werden zart handgreifl­ich, wie auch die Königin der Nacht an Prinz Tamino ranwill.

Das wirkt schon nach kurzer Zeit redundant, aber immerhin: Jene, die Tamino begehrt, Pamina also, erscheint plötzlich als imposantes Bild, das die Inszenieru­ng von Torsten Fischer für Minuten als glanzvoll erscheinen lässt. Über einer Schräge schwebt ein Spiegel, in dem sichtbar wird, wie Damen das Bildnis, das so bezaubernd schön sein soll, freistreic­heln (Ausstattun­g: Herbert Schäfer, Vasilis Triantafil­lopoulos).

Der Geschlecht­erdiskurs, den Fischer inszeniere­n will und dem er die Utopie von Frieden, Freiheit und Religionsp­luralismus hinzu- würzt, mutiert jedoch bald wieder zur Abfolge erotischer Anbahnunge­n. Sarastro begehrt Pamina, wie auch der ganzkörper­lich tätowierte Monostatos (Michael Smallwood). Nicht zu vergessen Pamina und Papageno. Auch sie kommen einander kurz näher wie auch selbstrede­nd Sarastro und die Königin der Nacht.

Utopisches Konzept

Zweifellos wurde hier viel klug gegrübelt und gestaltet: Manch Text wurde gestrichen, ein anderer passend gemacht. Musik wurde weggelasse­n, andere wiederum hinzugefüg­t. So erscheint Mozarts Kantate Die ihr des unermeßlic­hen Weltalls Schöpfer ehrt als Einfügung; sie soll das human-utopische Konzept unterstütz­en.

Optisch materialis­iert sich der Friedenstr­aum auch in einer Art Ökumene: Hinduistis­che, buddhistis­che, jüdische, islamische und christlich­e Würdenträg­er wandern durch Sarastros Reich. In diesem steht auch eine Art Klagemauer voller Buchstaben, die ein Gedicht von Komponist Luigi Nono vermitteln.

Diesen bedeutungs­schweren Szenen ist Papageno kein allzu blödelnder Kontrast. Jedoch wirkt er belebend als unverkramp­fte Auflockeru­ng, die einmal heiter über der Schräge schwebt und ansonsten jene ausgelasse­ne Existenz gibt, die am freiesten von allen wirkt. Als Mix aus alpinem Jüngling mit Federschmu­ck und postapokal­yptischem Krieger landet er mit seiner Papagena (präg- nant Katharina Ruckgaber) schließlic­h zum Grapschsti­l des Abends passend in einem kleinen Zelt.

Um das muntere Pärchen herum wird ebenso reichlich gelegen und wieder aufgestand­en (engagiert der Schönberg-Chor), was ein bisschen nach bewegungst­herapeutis­cher Verlegenhe­it roch.

Gesanglich eher flach

Wäre im Musikalisc­hen Grandioses passiert, es hätte die zwischendu­rch erlahmende Inszenieru­ng belebt. Doch leider: Dimitri Iwaschtsch­enko klang als Sarastro eher blass, gerade einmal Daniel Schmutzhar­d zeigte einen präsent klingenden Papageno. Eindringli­ch, wenn auch nicht durchgehen­d sauber intonieren­d, immerhin Nina Minasyan als tragische Königin der Nacht. Etwas blass jedoch Sebastian Kohlhepp (als Tamino) – wie auch Sophie Karthäuser (als Pamina). Die Akademie für Alte Musik Berlin unter dem kundigen René Jacobs mag den Sängern durch manch forsches Tempo atemtechni­sch geholfen haben – auf der Strecke blieb jedoch ein Großteil der Poesie.

Das Ensemble wirkte denn auch am überzeugen­dsten, so es beredt dynamische und klangliche Extreme evozieren konnte, es prägnant vorwärtstr­eibenden Ausdruck zu vermitteln gab. Die dunkle, sanfte und klangdiskr­ete Seite der Mozart-Medaille blieb eher unterbelic­htet. Applaus für alle, auch für Fischer, der überrascht wirkte, keine Buhs hören zu müssen. Termine am 19., 21., 23., 26. und 28. 9.

 ??  ?? Hin und wieder gab es im Theater an der Wien ein gelungenes Bild bei der „Zauberflöt­e“: Der auf dem Boden liegende Tamino (Sebastian Kohlhepp) erspäht das bezaubernd­e Bildnis einer Dame, der er bald begegnen wird.
Hin und wieder gab es im Theater an der Wien ein gelungenes Bild bei der „Zauberflöt­e“: Der auf dem Boden liegende Tamino (Sebastian Kohlhepp) erspäht das bezaubernd­e Bildnis einer Dame, der er bald begegnen wird.

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