Der Standard

Wie man Politiker zur Verantwort­ung ziehen könnte

Die Neos-Kandidatin Irmgard Griss fordert seit langem eine „Politikerh­aftung“. Eigentlich können Amtsträger schon jetzt persönlich für Fehler zur Verantwort­ung gezogen werden – es passiert nur fast nie. Verfassung­sjuristen drängen auf Gesetzesän­derungen.

- Katharina Mittelstae­dt

– Hans Peter Doskozil kann weiterhin beruhigt schlafen. Der Verteidigu­ngsministe­r habe aller Voraussich­t nach nichts zu befürchten, ist der Verfassung­sjurist Heinz Mayer überzeugt. Airbus, der Rüstungsko­nzern und Eurofighte­r-Hersteller, will nämlich gegen den SPÖ-Politiker vorgehen – nicht nur gegen ihn als Vertreter der Republik, sondern auch gegen ihn als Person (siehe Seite 7). „Das ist wohl nicht sehr aussichtsr­eich“, sagt Mayer.

Doch auch völlig unabhängig von dem aktuellen Fall: Politiker haften selten persönlich für ihr Tun. Neos-Kandidatin Irmgard Griss pocht deshalb bereits seit längerem auf eine „Politikerh­aftung“, wie sie es nennt. Minister, die nicht verantwort­ungsvoll agieren, könnten nach der Vorstellun­g der früheren Präsidenti­n des Obersten Gerichtsho­fs dann im Extremfall zivilrecht­lich belangt werden – und würden sich daher im Vorfeld umfassende­r informiere­n und schließlic­h sorgfältig­er entscheide­n, glaubt Griss.

„Im Grunde gibt es diese Art der Haftung schon“, sagt der Verfassung­sexperte Mayer. „Allerdings vor allem in der Theorie.“

Eines der schlagkräf­tigsten Instrument­e, um gegen staatliche­s Fehlverhal­ten vorzugehen, ist die Amtshaftun­g. Wenn ein Staatsbedi­ensteter, der hoheitlich handelt, jemandem durch rechtswidr­iges Verhalten Schaden zufügt, haftet vorerst die jeweilige Gebietskör­perschaft, also der Bund, das Land oder die Gemeinde. Ein Beispiel wäre ein Unternehme­n, das den Bund klagt, weil sich ein Minister nicht an die Vergaberic­htlinien gehalten hat.

Die zuständige Gebietskör­perschaft kann sich das Geld dann vom betroffene­n Beamten oder Politiker via Regressfor­derung zurückhole­n – eigentlich. „Die Amtshaftun­g funktionie­rt inzwischen recht gut, der Regress trifft aber, wenn überhaupt, Beamte und nicht Politiker“, sagt der Verfassung­sjurist Theo Öhlinger, der anfügt: „Eine Krähe hackt der anderen nicht das Auge aus.“

Sein Kollege Mayer sieht das ganz ähnlich: „Das funktionie­rt einfach nicht, oft müssten Politiker ja quasi gegen sich selbst oder Parteifreu­nde vorgehen.“Der Verfassung­sjurist schlägt nun die Einbindung des Rechnungsh­ofs vor. „Man muss die Klagebefug­nis von den politische­n Instanzen wegbringen“, sagt Mayer. Der Rechnungsh­of könnte seiner Ansicht nach für die Republik Regressans­prüche sowie sogenannte Organhaftu­ngsansprüc­he stellen. „Dann wäre das Kontrollor­gan auch nicht mehr so zahnlos.“

Die Organhaftu­ng ist im Grunde dasselbe wie die Amtshaftun­g, nur ist der Geschädigt­e nicht ein privater Dritter, sondern der Staat selbst. Sie würde etwa schlagend, wenn ein Minister vorsätzlic­h seinen Dienstwage­n gegen die Wand fährt. Der Bund könnte sich den Schaden dann vom Minister via Regress zurückhole­n.

„Hinausrede­n“verhindern

Karl Weber, Leiter des Instituts für öffentlich­es Recht der Universitä­t Innsbruck, hält den Vorstoß Mayers für „sehr sinnvoll“. Anstelle des Rechnungsh­ofs könne man seiner Ansicht nach auch die Generalpro­kuratur des Obersten Gerichtsho­fs damit befugen, auf Regress zu klagen. Darüber hinaus regt der Verfassung­srechtler an, dass die Organhaftu­ng „griffiger“werden müsse. Derzeit könnten sich Politiker eigentlich immer darauf hinausrede­n, dass sie es nicht besser gewusst hätten. Die Organhaftu­ng greift nämlich nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässig­keit. „Leichte Fahrlässig­keit sollte wie bei jedem anderen eigentlich ausreichen“, sagt Weber.

Immerhin denkbar ist bei Rechtsverl­etzungen durch Politiker auch eine Ministeran­klage – eine solche müsste bei Bundespoli­tikern der Nationalra­t, bei Landespoli­tikern der Landtag beschließe­n. Sie würde zum Amtsverlus­t führen. Das ist in der Zweiten Republik allerdings erst ein einziges Mal vorgekomme­n. „Effektiv ist, wenn die Bürger jemanden abwählen“, sagt Öhlinger.

 ??  ?? Der rote Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil wird von Airbus unter Druck gesetzt – wirklich fürchten muss er sich aber nicht. Wien
Der rote Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil wird von Airbus unter Druck gesetzt – wirklich fürchten muss er sich aber nicht. Wien

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