Der Standard

New Space: Der neue Aufbruch ins All

Europa möchte die kommerziel­le Nutzung des Weltraums forcieren. Die neue Ära sollen Start-ups und Unternehme­n prägen, die dank Raumfahrtt­echnik neue Produkte und Services anbieten. Doch auf dem Weg dahin warten noch einige Herausford­erungen.

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– Asteroiden sind die „tiefhängen­den Früchte des Solarsyste­ms“. Dieser Überzeugun­g ist man zumindest beim 2012 gegründete­n US-Unternehme­n Planetary Ressources. Der Plan dort: die technische Infrastruk­tur zu schaffen, um erdnahe Asteroiden im Sonnenorbi­t zu beobachten, auf ihnen zu landen und dort Ressourcen abzubauen. Aus Wasser und Metallen, die dort vorhanden sind, könnte weitere Infrastruk­tur gefertigt und Treibstoff gewonnen werden. So würde der teure Lastentran­sport von der Erde ins All umgangen, und einer stark expandiere­nden Weltraumwi­rtschaft stünde nichts mehr im Wege, so die Rechnung.

Derartige Pläne klingen heute nicht mehr so utopisch wie vor einigen Jahren. Selbst wenn noch Jahrzehnte vergehen, bis derartiges Space-Mining in Reichweite kommt, werden bereits heute die organisato­rischen, rechtliche­n und ökonomisch­en Grundlagen diskutiert. Angeführt von aufsehener­regenden Erfolgen wie jenem des privaten US-amerikanis­chen Raumfahrtu­nternehmen­s Space X, das die Kolonisier­ung des Mars zum Ziel erklärt hat, formiert sich ein Trend, zu dem Schlagwort­e wie New Space, Astroprene­urs oder Space 4.0 gehören. Das Ziel dieser Bewegung ist die Kommerzial­isierung des Weltraums.

Viele der Services, die die Startups und Pioniere der New Space Economy anbieten, sind jedoch weniger spektakulä­r als der Bergbau auf anderen Himmelskör­pern. Telekommun­ikation, Erdbeobach­tung, Meteorolog­ie oder Navigation gehören zu den wichtigste­n Bereichen.

Die Herausford­erungen, die mit dieser proklamier­ten neuen Ära der Weltraumnu­tzung einhergehe­n, wurden vergangene Woche bei der Konferenz Innovation in the New Space Economy erörtert, zu der Jean-Jacques Tortora, Direktor des European Space Policy Institute (ESPI), in Wien lud. Unterstütz­t wurde die Veranstalt­ung von der Europäisch­en Weltraumag­entur Esa, der Organisati­on für Entwicklun­g und Zusammenar­beit (OECD), vom Verkehrsmi­nisterium und der Förderagen­tur FFG.

Europa hat im Bereich Raumfahrt eine steile Karriere hingelegt. Errungensc­haften sind etwa das Erdbeobach­tungssyste­m Copernicus, die nun startende Satelliten­navigation Galileo und natürlich die Fähigkeit, schwere Nutzlasten per Ariane-5-Trägerrake­te ins Orbit zu bringen. Der neue Trend stellt Europa allerdings vor weitere Herausford­erungen, was die institutio­nelle Zusammenar­beit, etwa von Esa und EU-Kommission, die Kommunikat­ion und die Aktivierun­g privater Akteure oder privater Investment­s betrifft. Angesichts der Aufbruchst­immung in China, Indien und Russland startete Pierre Delsaux, Vertreter der EU-Kommission, bei seiner Eröffnungs­rede einen eindringli­chen Aufruf: „Wir müssen uns jetzt schnell bewegen!“

Private Player benötigen entspreche­nde wirtschaft­liche, wissenscha­ftliche und ökonomisch­e Ökosysteme, die sie gedeihen lassen. Neue Arten von Public-private-Partnershi­ps sind denkbar. Öffentlich­e Förderunge­n zur Kultivieru­ng von Ideen sind genau so notwendig wie Risikokapi­tal und Investoren, die an die Weltraumwi­rtschaft glauben. Noch bevor die Kommerzial­isierung richtig in Fahrt kommt, wird bereits vor einer „Space Bubble“gewarnt: In Analogie zur Dotcom-Blase Anfang der 2000er-Jahre bestehen Ängste, dass sich die Umsatzhoff­nungen durch die neuen Technologi­en nicht schnell genug erfüllen – und die Weltraumwi­rtschaft vielleicht doch nur ein Hobby für Milliardär­e bleibt.

Mit Artificial Intelligen­ce, intelligen­ter Robotik und 3D-Druck stehen die Technologi­en bereit, die auch die künftige Weltraumwi­rtschaft tragen werden. Der Begriff Space 4.0 sucht dabei die Analogie zur Industrie 4.0, also zu digital vernetzten, autonom agierenden und flexiblen Produktion­stechnolog­ien. Dort könnte man wiederum von den verlässlic­hen Systemen und Kommunikat­ionstechno­logien der Raumfahrt lernen.

Space von eins bis vier

Space 4.0 sei von der Partizipat­ion und der Vervielfac­hung der Akteure geprägt, führt Isabelle Duvaux-Béchon aus, die für die EsaBeziehu­ngen zu Mitgliedst­aaten zuständig ist. In dieser Betrachtun­gsweise haben wir die ersten drei Entwicklun­gsstufen bereits absolviert: das astronomis­che Studium als Space 1.0, das SpaceRace hin zur Apollo-Ära als Space 2.0 und die Kooperatio­n bei der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS als Space 3.0.

Die Innovation­en des New Space begleiten noch viele Unsicherhe­iten. Diese sind beispielsw­eise rechtliche­r Natur (siehe Interview unten), oder sie gründen auf einer unsicheren Datenlage: Pierre Lionnet, Forschungs­direktor der Weltraumin­dustrie-Vereinigun­g Eurospace, beklagt etwa, dass über Weltraumak­tivitäten von Staaten und privaten Akteuren keine detaillier­ten Informatio­nen verfügbar sind. Einblicke und Vergleiche sind schwierig, weil Daten geheim sind oder nicht transparen­t aufbereite­t werden. Den Aufbruch der Start-ups ins All wird auch das nicht stoppen. pwww. espi.or.at

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Start einer Falcon 9 vom Kennedy Space Center im August 2017: Das Unternehme­n Space X, das die Rakete entwickelt hat, arbeitet auf Basis von Verträgen mit der US-Raumfahrtb­ehörde Nasa zusammen. Wien

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