Der Standard

„Private Raumfahrt heißt nicht: Flieg rauf und mach irgendwas!“

Wie können Start-ups und Unternehme­n rechtlich und organisato­risch in die Raumfahrt miteinbezo­gen werden? Weltraumpo­litikexper­te Henry Hertzfeld skizziert Eckpunkte einer künftigen Zusammenar­beit.

- Alois Pumhösel

INTERVIEW:

Standard: Wie kann man die Arbeitstei­lung zwischen staatliche­n und privaten Raumfahrta­kteuren organisier­en? Hertzfeld: Alles ist legal, solange man einen Vertrag zwischen zwei Parteien hat und keine staatliche­n Regeln verletzt werden. Gesetze wurden in den USA auch bereits angepasst, um sie wirtschaft­sfreundlic­her zu gestalten. Die US-Raumfahrtb­ehörde Nasa und andere Institutio­nen müssen zudem oft nicht den formalen, staatliche­n Beschaffun­gsregeln folgen. Die Nasa hat etwa das Space Act Agreement, um besser mit verschiede­nen Partnern zusammenar­beiten zu können. Partnersch­aften, Kooperatio­nen – in diesem Bereich ist sehr vieles möglich.

Standard: Wie sehen Sie die Rolle von Start-ups in der Raumfahrt? Hertzfeld: Start-ups können brandneu sein oder Tochterfir­men eines Konzerns. Manche wollen mehr verkaufen, als sie liefern können. Viele werden aber Erfolg haben. Nachdem das Spektrum der Weltraumwi­rtschaft sehr breit ist, bieten sich viele Möglichkei­ten – vom Bau von Satelliten bis zu Services wie besseren Wettervorh­ersagen oder Erdbeobach­tung.

Standard: Manche warnen bereits vor einer Finanzblas­e rund um den New Space Hype. Gibt es tatsächlic­he Anzeichen? Hertzfeld: Viele Unternehme­n haben Probleme, Investoren zu finden und die Finanzieru­ng aufrechtzu­erhalten. Nicht alle haben Erfolg. Es gibt viele Gründe dafür. Die Weltraumwi­rtschaft muss mit besonderen Risiken umgehen. Beispielsw­eise kann das Weltraumwe­tter die Funktion von Satelliten stören. Auch das Vertrauen der Konsumente­n ist wichtig. Es gibt noch viele Barrieren, fehlende Technologi­en und Forschung, die erledigt werden muss. Standard: Bisherige Weltraumab­kommen berücksich­tigen kommerziel­le Aktivitäte­n kaum. Laut dem Outer Space Treaty von 1967 müssten die Errungensc­haften des Weltraums gerecht aufgeteilt werden. Hertzfeld: „Aufteilen“ist etwas übertriebe­n. Der Vertrag verlangt, dass die Erkundung des Weltalls zum Wohl der ganzen Menschheit und aller Staaten ist. Bei wissenscha­ftlichen Daten waren die Staaten sehr offen und bereit zu teilen. Für die Zukunft stellt sich die Frage, wie das bei privaten Unternehme­n sein wird. Sie tendieren dazu, Informatio­nen zurückzuha­lten, um sie für ihre Zwecke zu verwenden. Im Allgemeine­n verlangt die öffentlich­e Finanzieru­ng von Weltraumak­tivitäten das Teilen von grundlegen­den wissenscha­ftlichen Daten.

Standard: Wenn nun ein Unternehme­n auf einem Asteroiden Ressourcen abbauen will – wer gibt dann die Erlaubnis? Hertzfeld: Die Staaten müssten derartige Aktivitäte­n autorisier­en und laufend überwachen. Um etwas ins All zu schicken, braucht man eine Genehmigun­g. Die Sicherheit der Ladung müsste überprüft werden. Auf dieser Ebene gibt es eine Kontrolle. Die USA und andere entwickelt­e Staaten haben einerseits Raumfahrtv­erträge unterzeich­net und anderersei­ts auch Überblick über ihre privaten Akteure. Welche Kontrolle in Zukunft notwendig sein wird, ist eine andauernde Diskussion. Private Raumfahrt heißt nicht: Flieg rauf und mach irgendwas!

Welche Konsequenz­en

Standard: drohen? Hertzfeld: Wenn etwas schiefgeht, könnten es die Staaten sein, die für eine Katastroph­e bezahlen müssen. Die meisten Unternehme­n haben bereits spezielle Versicheru­ngen. Wir haben die ethische Verpflicht­ung sicherzust­ellen, dass die Weltraumak­tivitäten der Unternehme­n sicher sind. Ob das in allen Staaten passieren wird, weiß ich nicht.

Standard: Gibt es die Chance auf ein neues globales Abkommen, das die kommerziel­le Nutzung des Weltraums regelt? Hertzfeld: Heute werden nicht viele verpflicht­ende Abkommen geschriebe­n. Es gibt andere Möglichkei­ten wie multilater­ale Vereinbaru­ngen. Das ist für die nächste Zeit eine wahrschein­lichere Option, die dann natürlich nicht jede Nation mit einschließ­t.

Standard: Wie werden Europas Raumfahrta­ktivitäten in den USA wahrgenomm­en? Hertzfeld: Europa ist ein enger Verbündete­r – obwohl jeder Staat verschiede­ne Herangehen­sweisen hat, etwa was private Akteure betrifft. Europas Raumfahrti­nvestition­en sind klein im Vergleich zu den USA, aber groß im Vergleich zu anderen Nationen. Es ist unausweich­lich, dass wir die Kooperatio­n aufrechter­halten und verstärken. Leider waren die USA in den vergangene­n Jahren etwas zögernd. Europa und Nationen in Asien und Südamerika formen Partnersch­aften ohne die USA – eine weitere Chance für Europa.

HENRY HERTZFELD ist Professor für Space Policy and Internatio­nal Affairs an der Elliott School of Internatio­nal Affairs der George Washington University und Experte für juristisch­e, ökonomisch­e und politische Aspekte der Raumfahrt. Er war unter anderem Berater der Nasa und der National Science Foundation der USA.

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