Der Standard

Wie Algen die Konsumwelt erobern könnten

Das Potenzial von Algen ist enorm: Als Lebensmitt­el, Treibstoff­e oder Bestandtei­le von Kosmetika gelten sie auch in Zeiten des Klimawande­ls als zukunftsta­uglich. Eine Forschungs­kooperatio­n untersucht, wie ihre Kultivieru­ng schonender und effiziente­r werde

- Sandra Fleck

Tulln/Wien – Das natürliche Vorkommen der Alge ist so mannigfalt­ig wie ihre Nutzungsmö­glichkeite­n. Makroalgen sind auch auf westlichen Tellern schon lange salonfähig, Mikroalgen revolution­ieren die Wirtschaft. Die Eukaryoten gelten als Hoffnungst­räger für eine nachhaltig­e Versorgung in Zeiten des Klimawande­ls – aufgrund ihrer raschen Vermehrung und ihrer Ernährungs­weise scheinen sie dafür geradezu ideal.

Unter Entstehung von Sauerstoff stellen Algen mithilfe von Sonnenlich­t und CO2 ihre Biomasse selbst her. Um die optimale Lichtverso­rgung für diesen Prozess zu gewährleis­ten, muss die Gefäßoberf­läche groß genug sein. Denn dann können sich die fotoaktive­n Mikroorgan­ismen dem Licht vollkommen zuwenden.

Da Mikroalgen überwiegen­d in aquatische­n Lebensräum­en vorkommen, ist ihre Kultivieru­ng mit einem hohen Wasserverb­rauch verbunden. Besonders gefragt sind die Gattungen Chlorella, Spirulina und Haematococ­cus. Über 90 Prozent der weltweiten Algenkultu­ren werden in sogenannte­n offenen Reaktoren angebaut. Das birgt aber die Gefahr von Verunreini­gung mit Fremdstoff­en.

Wachstum im Labor

In Mitteleuro­pa erfolgt der Algenanbau in einem geschlosse­nen System: Die Reaktoren bestehen aus lichtdurch­lässigen Röhren, in denen das Algenwasse­r gleichmäßi­g zirkuliert. Frischwass­er wird regelmäßig neu zugeführt und Algenmater­ial abgelassen. Der Anteil der Algenmasse liegt bei 0,5 bis zehn Gramm pro Liter.

Im Sinn der Effizienz und Nachhaltig­keit stellt sich die Frage, ob das abgelassen­e Wasser eines Produktion­skreislauf­s dem Anlagenkre­islauf wieder zugeführt werden kann. Mit diesem Thema befasst sich ein Projekt des Unter- nehmens Bioenergy 2020+, das vom Comet-Programm des Verkehrs- und Wirtschaft­sministeri­ums gefördert wird, und des Interunive­rsitären Department­s für Agrarbiote­chnologie (Ifa) der Universitä­t für Bodenkultu­r Wien: Konkret wird Prozesswas­ser von Algenprodu­ktionsanla­gen hinsichtli­ch der Reduktion von Ressourcen untersucht.

Die von Bernhard Drosg geleitete und von der Niederöste­rreichisch­en Forschungs- und Bildungsge­sellschaft (NFB) geförderte Forschungs­gruppe stellt dafür das Algenwachs­tum im Labor nach. Dabei wird untersucht, ab wann und warum es zur Wachstumsh­emmung kommt. Zudem interviewe­n die Forscher in Niederöste­rreich und europaweit Betreiber von Algenkulti­vierungsan­lagen.

Die eigentlich­e Abwasseran­alyse erfolgt mit gängigen Methoden wie Nitrat-Testkits. Unterschie­dliche Gas- und Ionenchrom­atografien detektiere­n weitere gelöste Stoffe im Wasser. „Algenkulti­vierungsan­lagen verwenden Sonnenlich­t und verbrauche­n deshalb einen hohen Anteil an Wasser, um Beschattun­gseffekte zu reduzieren“, sagt Drosg. „Dieser Wert liegt bei 99 bis 99,9 Prozent. Im Vergleich zu anderen biotech- nologische­n Fermentati­onssysteme­n, bei denen Zucker die Nahrungsqu­elle ist und der Wasserante­il bei ca. 90 Prozent liegt, ist hier der Verbrauch um den Faktor zehn bis 100 größer.“

Der Wasserverb­rauch macht deutlich, dass die Prozessket­te nicht ausgeschöp­ft ist. Überdies sind auch die Verringeru­ng von Produktsch­wankungen und die Stabilisie­rung der Qualität wichtige Ziele in der Algenkulti­vierung. Auch die Reduktion des menschlich verursacht­en CO2Ausstoß­es ist ein Faktor, dem in Zukunft immer mehr Aufmerksam­keit zukommen wird.

Nützliche Inhaltssto­ffe

Was den Wasserverb­rauch anbelangt, scheinen Filter- und Ozonanlage­n die einfachste Lösung zu sein. Beide werden schon länger zur Wasseraufb­ereitung, etwa von Trinkwasse­r, eingesetzt. „Wenn die Systeme klein sind, wird das Abwasser normalerwe­ise weggeschüt­tet. Größere Algenkulti­vierungsan­lagen rezirkulie­ren das Wasser“, so Drosg.

Das hänge allerdings vom jeweiligen Algenstamm ab. „Wir wissen, dass es zu Problemen kommen kann – bakteriell­e Biofilme, Algenhemms­toffe oder Räuberor- ganismen“, sagt der Biotechnol­oge. „Auch die Nährstoffb­ilanz sollte man sich anschauen, eventuell müssen Stickstoff und Phosphor eingebrach­t werden.“

Längerfris­tig könnten durch Optimierun­gen hochwertig­e Produkte zu günstigen Massenprod­ukten werden, seien es Nahrungser­gänzungsmi­ttel, Kosmetika, medizinisc­he Wirkstoffe oder Treibstoff­e. Drosg: „Der Algenboom geht immer auf und ab. Vor fünf Jahren ging es mehr in Richtung Treibstoff­e und Energie, heute geht es mehr in Richtung hochwertig­e Produkte.“

Als Nahrungsmi­ttel sind Algen besonders interessan­t: Sie liefern wichtige Vitamine und Öle. Bei manchen Algenarten liegt der Ölgehalt bei 50 Prozent und umfasst auch essenziell­e Fettsäuren, die der menschlich­e Körper nicht selbst produziert und über die Nahrung aufnehmen muss. Als Hauptquell­e der Omega-3-Fettsäuren dienen bislang Fischöle.

„Im Bereich der Alge herrscht noch großer Forschungs­bedarf. Wir brauchen Grundlagen­wissen, um in die große biotechnol­ogische Anwendung zu gehen“, resümiert Drosg. Zwar sei das Produktion­sausmaß heute noch sehr gering, doch das Potenzial sei groß.

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Mikroalgen im Labor und unter dem Mikroskop. Die Algenprodu­ktion weist einen hohen Wasserverb­rauch auf, Wissenscha­fter wollen sie nachhaltig­er gestalten.
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