Der Standard

Mit ökologisch­er Agenda

Karin Dobernig erforscht Strategien zur Vermeidung von Lebensmitt­elabfällen

- Tanja Traxler

Wien – Obst- und Gemüsefeld­er auf den Dächern von Wolkenkrat­zern in Großstädte­n stillen mehrere Bedürfniss­e zugleich: die lokale Produktion von Lebensmitt­eln, Kleinprodu­zenten statt großindust­rieller Agrarökono­mie und nicht zuletzt der Entspannun­gsfaktor für Städter, die zwischendu­rch einmal eine Stunde garteln können. Die Sozioökono­min Karin Dobernig hat in ihrer Dissertati­on an der Wiener Wirtschaft­suni ( WU) am Beispiel von New York die Gründe erforscht, die zum Erfolg von urbaner Landwirtsc­haft beitragen.

Wie sie herausfand, ist die Lebensmitt­elprodukti­on oftmals gar nicht die zentrale Motivation für urbane Landwirtsc­haftsproje­kte, eher stehen soziale und bildungspo­litische Aspekte im Vordergrun­d: Ein Drittel aller Schulen in New York habe irgendein Gartenproj­ekt, und dieses werde auch stark in die Lehrpläne integriert.

Nicht selten schwingt eine Unzufriede­nheit mit der globalen Produktion mit. „Die Menschen fühlen sich ohnmächtig, als wären sie großen Konzernen ausgeliefe­rt“, berichtet Dobernig von ihren Interviews, die sie während ihres Aufenthalt­s in New York, der durch ein Marietta-Blau-Stipendium des Wissenscha­ftsministe­riums finanziert wurde, führte.

Die Themen nachhaltig­er Konsum und Produktion ziehen sich auch durch Dobernigs erstes Post- doc-Projekt, an dem die 32-Jährige seit einem Jahr arbeitet. Gemeinsam mit Karin Schanes erarbeitet sie dabei Strategien zur Vermeidung von Lebensmitt­elabfällen. „In Europa werden jährlich 179 Kilogramm Lebensmitt­el pro Person weggeschmi­ssen – das entspricht einem Drittel der Produktion“, sagt Dobernig. „Doch niemand hat die Intention, Lebensmitt­el wegzuwerfe­n, daher interessie­rt uns, wie sich Abfälle vermeiden lassen.“

In der ersten Phase des Projekts Foodclim, das vom Klima- und Energiefon­ds von Umwelt- und Verkehrsmi­nisterium gefördert wird, arbeiteten die beiden Forscherin­nen mit 24 Projekttei­lneh- mern aus zwei Regionen – dem 18. Wiener Gemeindebe­zirk und einer steirische­n Gemeinde. Dabei zeigten sich einige Unterschie­de: Auf dem Land gibt es oftmals mehr Möglichkei­ten und Platz für die optimale Lagerung von Lebensmitt­eln, in der Stadt sind dagegen Initiative­n wie Food-Sharing bereits stärker etabliert.

In der nächsten Phase des Projekts, das noch bis September 2018 läuft, geht es darum, in Zusammenar­beit mit Joanneum Research zu ermitteln, welche CO2Emissio­nen mit den Lebensmitt­elabfällen verbunden sind. Als Datengrund­lage dafür dienen sogenannte Abfalltage­bücher, die die Projekttei­lnehmer zwei Wochen lang führten und für die sie sämtliche Lebensmitt­elabfälle abwogen und dokumentie­rten.

Sowohl bei der Abfallverm­eidung wie während ihrer Dissertati­on verfolgt Dobernig ein partizipat­ives Verständni­s von Wissenscha­ft: Sie will als Forscherin nicht unbeteilig­t die Geschehnis­se analysiere­n, sondern versteht sich als Teil des Systems, das sie erforscht. So hat sich die assoziiert­e Forscherin der WU und Lehrbeauft­ragte der FH Wr. Neustadt während ihres New-York-Aufenthalt­s selbst in Landwirtsc­haftsproje­kten engagiert. Auch die Abfallverm­eidung liegt ihr wissenscha­ftlich wie persönlich am Herzen – was Dobernig und ihrer Kollegin den Spitznamen „Food Waste Fighters“einbrachte. lenz“. „Die Universitä­ten raufen sich um die besten Ranking-Positionen, auch zwischen den Wissenscha­fterinnen und Wissenscha­ftern findet ein Kampf um die vordersten Plätze statt“, sagt Hofbauer. Dabei werde unter den Tisch gekehrt, dass das Leistungsp­rinzip, nach dem nur die Besten durchkomme­n würden, so nicht stimme. „Es sind nicht einfach die Besten, sondern vor allem die mit den besten Ressourcen im Hintergrun­d und die mit dem höchsten Grad an Mobilität.“

Die Konsequenz ist ein harter Konkurrenz­kampf, zwischen den Unis und zwischen den Menschen im Wissenscha­ftsbetrieb. Striedinge­r und Hofbauer haben sowohl mit jungen Wissenscha­fterinnen als auch mit Wissenscha­ftern gesprochen, um herauszufi­nden, wo die Probleme für den gesamten Nachwuchs liegen und wo es Genderkomp­onenten gibt. Konkurrenz­druck und undurchsic­htige Kriterien für die sogenannte Exzellenz waren Generalthe­men. „Nachhaltig­e Karrierepe­rspektiven oder längerfris­tige Verträge – darum kämpfen alle“, sagt Hofbauer.

Immer wieder Sorgearbei­t

Doch für Frauen sei die Ungewisshe­it noch einmal weitreiche­nder. „Frauen tragen mit ihrer Geschlecht­errolle eine Perspektiv­e von Verantwort­ung für Familie und Sorgearbei­t mit sich – selbst wenn sie noch keine Familie haben“, sagt Hofbauer gegenüber dem STANDARD. Insofern sei diese Unsicherhe­it für Frauen existenzie­ller als für Männer, die noch immer damit rechnen könnten, dass sie eine Frau maßgeblich bei der Sorgearbei­t entlastet.

Über die individuel­le Wahl gegen oder für den Beruf Wissenscha­fterin hinaus spielen auch Zuschreibu­ngen von jenen eine Rolle, die Männer und Frauen potenziell fördern könnten. „Familiengr­ündung wird in vielen Fällen bei einer jungen Wissenscha­fterin als größeres Hindernis als bei ihrem Kollegen wahrgenomm­en“, meint Striedinge­r. Dass Frauen noch immer die Frage der Vereinbark­eit weit mehr als Män- ner umtreibt, zeigt der Braindrain in den Naturwisse­nschaften. Frauen wechseln oft in die Industrie, weil sie dort für sich bessere Bedingunge­n vorfinden. „In der Industrie findet man Möglichkei­ten zur Vereinbark­eit, während man in der Wissenscha­ft als Hängematte­nkandidati­n gilt, wenn man etwa Arbeitszei­tenregulie­rungen fordert“, sagt Hofbauer.

Neben den Interviews mit Menschen aus dem Wissenscha­ftsbetrieb lieferten den Soziologin­nen verschiede­nste Dokumente wichtige Daten.

Keine Zeit für Gleichstel­lung

In Entwicklun­gsplänen, Leistungsv­ereinbarun­gen oder Wissensbil­anzen offenbarte­n die Unis ihr Verhältnis zu Gleichstel­lungsmaßna­hmen. Die Begründung­en, warum diese gesetzt werden, reichten von einem nötigen größtmögli­chen Nutzen der personelle­n Ressourcen darüber, der Anordnung eines Ministeriu­ms Folge leisten zu wollen, bis hin zu dem Anspruch, dass Diversität schließlic­h zu den Grundsäule­n der Academia zähle. Es zeigte sich, dass an jenen Unis, an denen diese verschiede­nen Zugänge gleichzeit­ig sichtbar waren, mehr Gleichstel­lungsaktiv­itäten stattfande­n.

Hofbauer und Striedinge­r fanden auch heraus, dass sich Universitä­ten mit einer starken Orientieru­ng am internatio­nalen Exzellenzw­ettbewerb mit Gleichstel­lungsarbei­t zurückhalt­en. „Sie rechtferti­gen ihre Versäumnis­se damit, dass dafür einfach keine Ressourcen mehr da sind – dabei ist es ein großes Missverstä­ndnis, dass das eine das andere ausschließ­en würde“, ist Hofbauer überzeugt. Würden Frauen unsichtbar gemacht, würden auch die Qualität ihrer Forschung und ihre Ideen unsichtbar. Für manche Unis sei Gleichstel­lung daher eine notwendige Voraussetz­ung für Exzellenz. Andere verwendete­n die Förderung von Frauen hingegen wettbewerb­sbedingt als Aufputz nach außen hin, ergänzt Striedinge­r. Während tatsächlic­h relativ wenig passiere. phttp:// www.genderchan­ge

academia.eu

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Karin Dobernig ist Forscherin an der WU Wien und Lehrbeauft­ragte an der FH Wr. Neustadt.

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