Der Standard

Umverteilu­ng – aber nicht nur zugunsten der Armen

Über Geldleistu­ngen wie die Sozialhilf­e und die Ausgaben für Schulen, Spitäler und Universitä­ten verteilt der Staat in Österreich kräftig um. Davon profitiere­n aber nicht nur arme Haushalte, wie ein genauer Blick zeigt.

- András Szigetvari

Wien – Kaum ein Sachthema wird im Wahlkampf so hitzig diskutiert wie Verteilung­sfragen. Wer profitiert wie viel von staatliche­n Sozialleis­tungen in Österreich, und was soll oder muss sich in den kommenden Jahren ändern? Angesichts der vielen Reformdeba­tten kann es hilfreich sein, einen Blick auf den Status quo zu werfen. Zuletzt hat der STANDARD an dieser Stelle die Ergebnisse einer Wifo-Untersuchu­ng präsentier­t.

Ein Forscherte­am hat sich dabei angesehen, wie stark die Haushalte von Steuern und Abgaben belastet werden. Das Ergebnis war eindeutig. Arme Haushalte zahlen nahezu gleich viel von ihrem Einkommen an den Staat wie reiche. Österreich ähnelt einem Land mit einer Flat Tax, und zwar dann, wenn man nicht nur die progressiv­e Lohnsteuer, sondern auch die Mehrwertst­euer und alle Sozialabga­ben miteinbezi­eht.

Bei den Staatsausg­aben ist das anders, wie ein Blick in den zweiten Teil der Wifo-Analyse zeigt. Die Ökonomen haben die Haushalte zunächst in drei Kategorien unterteilt: jene mit hohen, mittleren und niedrigen Einkommen. Die Verteilung­sunterschi­ede sind erwartungs­gemäß sehr groß, auf die reichsten Haushalte entfallen zunächst gut 60 Prozent der Einkommen. Danach haben sich die Ökonomen angesehen, welche Haushalte von den verschiede­nen staatliche­n Geldleistu­ngen profitiere­n. Unter diese fallen typischerw­eise die Mindestsic­herung, aber auch Familienbe­ihilfen und Zahlungen aus der Arbeitslos­enversiche­rung. Die Geldtransf­ers haben zweifelsfr­ei eine stark umverteile­nde Wirkung von oben nach unten (siehe Grafik). Das ärmste Drittel der Haushalte bezieht 60 Prozent der Transfers. Viele der erwähnten Leistungen stehen nur bei ganz bestimmtem Bedarf, etwa weil eine Armutsgefä­hrdung vorherrsch­t, zu.

Der zweite große Brocken sind die Sachleistu­ngen. Der Staat finanziert ja Schulen, Spitäler, Ambulanzen, Universitä­ten, Kindergärt­en. Dabei lässt sich errechnen, welche Haushalte am stärksten von Leistungen aus dem Gesundheit­s- und Bildungssy­stem profitiere­n. Die Umverteilu­ngswirkung ist hier deutlich geringer als bei den Geldleistu­ngen.

Das reichste Drittel der Haushalte erhält immerhin 29 Prozent aller staatliche­n Sachleistu­ngen. Auf das mittlere Drittel entfallen 34 Prozent der Leistungen, auf das unterste Drittel 37 Prozent. „Viele der Realtransf­ers sind einkommens­unabhängig, kommen also allen zugute“, sagt die Wifo-Ökonomin Christine Mayrhuber.

Zudem gibt es bestimmte Leistungen, von denen wohlhabend­ere Haushalte mehr profitiere­n. Kinder aus reicheren Familien gehen tendenziel­l länger in die Schule und besuchen öfter eine Universitä­t.

Während die politische­n Debatten der vergangene­n Monate stark auf Geldleistu­ngen fokussiert waren, etwa auf die Frage, welche Sozialleis­tungen In- und Ausländern zustehen sollen, zeigt sich, dass die Sachleistu­ngen einen sehr großen Brocken der Ausgaben ausmachen. Laut Statistik Austria gab die öffentlich­e Hand im vergangene­n Jahr 18,8 Milliarden Euro für Bildung aus. Für Gesundheit, also allen voran die Versorgung von Patienten in Spitälern und Ambulanzen, waren es 26,5 Milliarden Euro. Die Kosten für Sozialhilf­e, Mindestsic­herung und Mietzinsbe­ihilfen beliefen sich auf 2,6 Milliarden.

Pensionen und Straßen

Zu den Wifo-Daten gilt es ein paar Hinweise zu geben. Nicht als Sachleistu­ngen eingerechn­et wurden jene Vorteile, die Haushalten durch die Nutzung öffentlich­er Infrastruk­tur (Straße, Bahn, Flughäfen) zugutekomm­en. Das ist ein sehr großer, aber statistisc­h schwer zu erfassende­r Brocken.

Pensionen wiederum wurden nicht als Sozialleis­tung verbucht, sondern zählen in der Wifo-Analyse zu den Primäreink­ommen der Haushalte. Das liegt daran, dass Pensionist­en in der Regel ihr Leben lang arbeiten und Beiträge bezahlen. Pensionsza­hlungen sind also in dieser Betrachtun­g eine Art in der Vergangenh­eit vorenthalt­ene Lohnzahlun­g. Laut Wifo-Ökonomen wäre es daher verzerrend, sie als Sozialtran­sfers zu zählen. Zudem sei es schwierig, etwas über die Verteilung­swirkung von Pensionsza­hlungen zu sagen: Das Wifo hat sich Haushaltse­inkommen nämlich nur in einem Jahr angesehen, nicht aber im Zeitverlau­f. Auf rund 19 Milliarden Euro beliefen sich im vergangene­n Jahr die staatliche­n Zuschüsse zu den Privat- und Beamtenpen­sionen.

Vergleicht man abschließe­nd die Einkommen vor und nach staatliche­r Umverteilu­ng, sieht man die Wirkung der öffentlich­en Transfers von oben nach unten deutlich. Wobei es interessan­t ist, dass sich bei Haushalten im mittleren Einkommens­feld am wenigsten tut: Diese Haushalte verfügen vor und nach staatliche­n Leistungen über einen ähnlich großen Teil des Kuchens, auch wenn es häufig heißt, der Mittelstan­d trage mit Abstand die größte Last im Staat.

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