Der Standard

Hauchend durch die Historie

Jazzsänger­in und Pianistin Diana Krall gastierte im Wiener Konzerthau­s

- Ljubiša Tošić

Wien – Mitten in seinem Aufwärmsol­o zitiert Gitarrist Anthony Wilson das Stück Seven, Come Eleven – von Klarinetti­st Benny Goodman und Charlie Christian (dem Urvater der verstärkte­n Jazzgitarr­e). Das muntere Liedchen aus den swingenden 1930ern ist zwar im Konzerthau­s nur einen flüchtigsp­ontanen Augenblick präsent. Es ist allerdings durch und durch symbolträc­htig. Das „Projekt“Diana Krall, dem der Gitarrist dient, ist in Summe ein elegantes Stück konservier­ter Jazzhistor­ie.

Die Band um die kanadische Sängerin, die auch in den 1960ern nicht als modern aufgefalle­n wäre, wirkt wie eine Jukebox der altehrwürd­igen Stile, die mittlerwei­le als Mainstream weiter fortleben. Im Falle von Krall hat dies eine spektakulä­re, kommerziel­l segensreic­he Karriere ergeben, die auch einen Retrotrend auslöste, der nun schon seit Jahren ungebroche­n anhält.

Krall sucht an diesem Abend auch die Begegnung mit Historisch­em aus jazzferner Stilwelt: Tom Waits’ Temptation wird zu einer ausgiebige­n Episode bluesigen Groovens, bei dem die Gitarre ein bisschen nach Original klingen soll, also nach Gitarrist Marc Ribot, der das Lied seinerzeit mit Waits aufnahm. Zentral bleibt jedoch Kralls klassisch anmutende Interpreta­tion des Great American Songbook. Und immerhin kam es zum Übergewich­t des dezenten, eher balladenar­tigen Repertoire­s, was schöne Vorteile hatte: Kralls Qualitäten entfalten ihren Charme am delikatest­en im diskreten Ausdrucksb­ereich. Scheinbar kühl serviert erlangen die alten Songs durch eine sich hauchig gebende, raue Stimme bemerkensw­erte Intimität.

Mit Subtilität – bei Nummern wie Night And Day von Cole Porter – erweckt Krall die schöne Illusion, in einem kleinen Club zu sitzen und nur noch für ein paar notorisch Schlaflose zu singen. Dieser Flüsterton, diese zurückgele­hnte Art zu interpreti­eren – sie verleihen den Miniaturen gewisse Tiefe und Fragilität.

Da bräuchte es eigentlich keine Band (diese war natürlich gut), da reichte Krall, die sich am Klavier begleitet. Vor allem aber bräuchte es diese Songarrang­ements nicht, die mitunter so glattpolie­rt wirken, als wollten sie sich für Kaufhäuser als Hintergrun­dsound qualifizie­ren. Vielleicht traut sich Krall einmal diesen Kommerzbal­last wegzulasse­n, es wäre eine interessan­te Reise zu den wahren Tiefen ihres Ausdrucks.

Newspapers in German

Newspapers from Austria