Zivilisierte und andere Debatten
Man ist es nicht mehr gewohnt: Zwei Personen stehen sich im Wahlkampf und im Fernsehstudio gegenüber und reden trotzdem normal miteinander. Ohne Häme, ohne persönliche Untergriffe. Dieses rare Schauspiel gab es am Montagabend bei Corinna Milborn auf Puls 4.
Ulrike Lunacek, grüne Spitzenkandidatin, und SPÖ-Kanzler Christian Kern diskutierten Sachfragen, vertraten oft unterschiedliche Positionen, wurden aber nie destruktiv. Lunacek betonte ihre Enttäuschung darüber, dass Kern „die Tür zur FPÖ aufgemacht“habe. „Sie macht das richtig gut“, feixte Kern, weil sie davon nicht abrückte. Nachdem er Grenzkontrollen predigte, konnte sie ihm ein Ja zu einer gemeinsamen Initiative abringen: Im Falle einer gemeinsamen Regierung will man legale Fluchtwege über Botschaften schaffen. Auch die Bücher und Geschenke, die sie einander übergaben, freuten beide offenbar echt.
Ganz anders war das im zweiten Duell, als Neos-Chef Matthias Strolz schon seine mitgebrachten roten Flipflops Kern mit Spitzen überreichte. Strolz brachte gewohnt aufgebracht sein Lieblingsthema, die kalte Progression, ins Spiel. Kern punktete, indem er weniger, aber ruhiger redete. „Ich mag Sie auch, Herr Strolz“, meinte er etwa. Da mussten viele im Studio lachen. Strolz nicht.
Kern blieb zwar bei seinem Buchgeschenk, einer ChurchillBiografie, frei von jeder Gehässigkeit, wie er sich selbst lobte, hatte aber auch Seitenhiebe parat. Etwa als er erwähnte, dass ÖVP-Chef Sebastian Kurz Rhetorikschüler von Strolz war oder als er Strolz vorwarf, er erfinde „wie Strache irgendwelche Zahlen“. Strolz meinte, ExÖBB-Chef Kern sei vom Railjet zum Schienenersatzverkehr mutiert. pderStandard. at/TV-Tagebuch