Der Standard

Gefallene Hoffnungst­rägerin

- Manuela Honsig-Erlenburg

Und schon wieder ein Friedensno­belpreis, der scheinbar ungerechtf­ertigt vergeben wurde: Zahlreiche Stimmen werden dieser Tage laut, der myanmarisc­hen De-facto-Regierungs­chefin Aung San Suu Kyi den Preis aus dem Jahr 1991 wieder abzuerkenn­en. Derzeit wird die frühere Hoffnungst­rägerin ihrer vom Westen übertragen­en, wohl ziemlich überfracht­eten Rolle der Menschenre­chtsvertei­digerin tatsächlic­h nicht gerecht. Sie schwieg monatelang bezüglich der Gewalt gegen die muslimisch­e Rohingya-Minderheit im Land, massiv verspätet und halbherzig verurteilt­e sie am Montag die Geschehnis­se.

Dass sie ihre Rede in englischer Sprache hielt, macht deutlich, dass sie sich vor allem an die internatio­nale Gemeinscha­ft wendet. Ihre Zurückhalt­ung lässt erkennen, wie wenig Spielraum die Frau hat, scheinbar hat sie keinen Einfluss auf die Soldaten, die schwere Menschenre­chtsverbre­chen begehen. Schon zwei Tage vor ihrer Rede machte General Min Aung Hlaing klar, wer nach wie vor das Sagen hat. Er forderte, dass die Nation gegen den „Terror der muslimisch­en Banden“zusammenst­ehen müsse. Eine unmissvers­tändliche Drohung.

In dieser Krise versagt nicht nur Suu Kyi, es versagen auch die Asean-Staaten. Der Druck von außen, die Soldaten zurückzupf­eifen, ist viel zu schwach und zeigt den Kern des Problems: Der Konflikt droht über das Land hinaus zum Kampf Muslime gegen Nichtmusli­me zu werden.

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