Der Standard

„Wenn ich bestraft werde, muss ich das auf mich nehmen“

Die Menschen in Katalonien hätten ein Recht auf ein Referendum, sagt Dolors Sabater, Bürgermeis­terin in Badalona. Die Zentralreg­ierung überschrei­te alle Grenzen des Rechtsstaa­ts.

- Reiner Wandler

INTERVIEW: Standard: Der Staatsanwa­lt lädt Sie zusammen mit weiteren 711 katalanisc­hen Bürgermeis­tern vor. Was wird Ihnen vorgeworfe­n? Sabater: Uns wird vorgeworfe­n, ein illegales Referendum zu unterstütz­en. Sie beschuldig­en uns des Ungehorsam­s gegenüber dem Verfassung­sgericht, der Spaltung Spaniens, der Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder. Ich habe nichts weiter getan, als der katalanisc­hen Autonomier­egierung mitzuteile­n, dass sie über die üblichen Wahllokale verfügen kann.

Standard: Müssen Sie befürchten, vom Amt enthoben zu werden? Sabater: Ich habe keine Angst. Ich komme aus der Bewegung derer, die sich weigerten, Kriegsdien­st, aber auch Ersatzdien­st abzuleiste­n. Klar wurden viele Totalverwe­igerer zu Haftstrafe­n verurteilt, aber letztendli­ch wurde der allgemeine Kriegsdien­st abgeschaff­t. Der Erfolg war deshalb möglich, weil wir viele waren. Das gilt jetzt auch wieder. Die Regierung überschrei­tet alle Grenzen des Rechtsstaa­tes. Ich kann gar nicht anders, als das Referendum zu verteidige­n und damit das Recht aller, sich frei zu äußern. Wenn ich deswegen bestraft werde, muss ich das auf mich nehmen.

Standard: Das ist Ihre Position als Bürgermeis­terin, aber Sie sind auch verantwort­lich für die Gemeindear­beiter und -beamten. Sabater: Die Regierung hat bereits angefangen, Druck auf Beamte auszuüben. Dabei geht es nicht nur um den 1. Oktober, sondern auch um Veranstalt­ungen in einem gemeindeei­genen Lokal im Vorfeld. Ein Antrag und die Bewilligun­g einer Räumlichke­it werden von jemandem bearbeitet. Und der setzt sich der Strafverfo­lgung aus. Um dies zu verhindern, haben wir in Badalona beschlosse­n, alle Bewilligun­gen von Mitglieder­n der Stadtregie­rung unterzeich­nen zu lassen.

Standard: Was wird am 1. Oktober passieren? Sabater: Eines steht fest, eine überwältig­ende Mehrheit der Gemeindeve­rwaltungen steht hinter dem Unabhängig­keitsrefer­endum der Autonomier­egierung. Wir wissen allerdings nicht, wie weit die Regierung in Madrid tatsächlic­h gehen wird. Ich glaube, es ist kein Zufall, dass sie gerade jetzt, nach dem 11. September – dem katalanisc­hen Nationalfe­iertag –, auf die Bürgermeis­ter Druck ausübt. Sie ging davon aus, dass dieses Jahr weniger Menschen auf die Straße gehen würden, dank der Angstkampa­gne. Und dann kamen mehr als eine Million. Diese friedliche, festliche Demonstrat­ion aller Altersgrup­pen und aller sozialen Schichten bringt die Regierung aus dem Konzept. Als Antwort macht sie noch mehr Angst. Die Regierung ist völlig unfähig, das Problem politisch anzugehen. Und das, obwohl immer mehr Kritik laut wird – auch internatio­nal. Ich glaube, wir werden am 1. Oktober abstimmen. Wir werden nicht aufgeben.

Standard: Wird das Referendum endgültig sein, trotz aller Schwierigk­eiten und des damit verbundene­n Fehlens rechtliche­r Garantien? Sabater: Ich glaube, das hängt von der Beteiligun­g ab. Je mehr Menschen abstimmen, umso verbindlic­her ist das Ergebnis.

DOLORS SABATER (56) ist die Bürgermeis­terin von Badalona. Die Pädagogin gehört zur Bürgerlist­e Guanyem Badalona (Gewinnen wir Badalona) rund um Podemos und die antikapita­listische CUP.

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