Der Standard

Abendstimm­ung über dem Atomdeal mit dem Iran

Mitte Oktober entscheide­t Donald Trump über den Fortbestan­d des Atomabkomm­ens mit Teheran. Seine Rede vor der Uno lässt nichts Gutes erwarten.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

Wien – Wenn ein Deal für den USPräsiden­ten eine „Peinlichke­it“ist, dann wird er diese wohl beenden: Donald Trumps Abneigung gegen das Atomabkomm­en mit dem Iran, abgeschlos­sen von seinem Vorgänger Barack Obama – allein das ein Grund, dagegen zu sein –, ist seit US-Wahlkampfz­eiten bekannt. Dennoch hat er seit seinem Amtsantrit­t dem Iran bereits zweimal attestiert, die Verpflicht­ungen zu erfüllen. Damit wurde das Abkommen automatisc­h verlängert. Wer jedoch Trumps Rede vor der Uno-Vollversam­mlung gehört hat, zweifelt daran, dass das zum nächsten Stichtag am 15. Oktober wieder der Fall sein wird.

Der US-Präsident muss dem Kongress alle neunzig Tage bestätigen, dass der Iran den Deal einhält. Tut er das nicht – entweder indem er nichts sagt oder indem er den Iran des Bruchs bezichtigt –, kann der Kongress entscheide­n, durch den Deal aufgehoben­e Sanktionen wieder zu verhängen.

Die USA sind allerdings nicht der einzige Partner Teherans im Deal: Die anderen sind EU, Großbritan­nien, Frankreich, Deutschlan­d, Russland und China. Keiner von ihnen will, dass das Abkommen platzt, das das iranische Atomprogra­mm auf mehr als ein Jahrzehnt lang streng begrenzt. Auch manche Kritiker des Deals in den USA – auch in Trumps eigener Regierung – und sogar vereinzelt im israelisch­en Sicherheit­sestablish­ment sind dagegen. Denn Fakt ist: Solange es in Kraft ist und sich alle daran halten, wird der Iran konstant von der kritischen Schwelle, eine Atombombe bauen zu können, entfernt gehalten.

Druck auf die IAEA

Die USA scheinen ihre Linie, das 2015 in Wien geschlosse­ne Abkommen anzugreife­n, zuletzt geändert zu haben. Trumps Botschafte­rin bei der Uno, Nikki Haley, hatte im August die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde (IAEA) in Wien besucht, die das Abkommen durch Inspektion­en im Iran überwacht. Haley versuchte Druck auf die IAEA zu machen, auch Zugang in vom Deal nicht erfasste Anlagen, zum Beispiel Militärbas­en, zu verlangen. Zuletzt tauchten auch Berichte über angebliche Geheimdien­stinformat­ionen über klandestin­e nukleare Aktivitäte­n im Iran auf. Die IAEA bescheinig­te jedoch, im Iran auf keine Probleme zu treffen.

Diese Art des Vorgehens ist schon deshalb problemati­sch, weil sie Erinnerung­en an die Begründung der US-geführten Irak-Invasion 2003 weckt: Das wiederaufg­enommene geheime Atomwaffen­programm Saddam Husseins, für das „Beweise“präsentier­t wurden, gab es nicht.

Vielleicht auch deshalb wird nun ein anderer Punkt aufgegriff­en: die zeitliche Begrenzthe­it des Deals. Sogar US-Außenminis­ter Rex Tillerson griff das Thema bereits auf, der bisher zu jenen in der US-Regierung gezählt wurde, die für den Erhalt sind. Am Dienstag sagte Tillerson zu Fox News, dass das Abkommen geändert werden müsse, sonst würden die USA es verlassen: Gewisse Beschränku­ngen dürften nicht nach zehn beziehungs­weise 15 Jahren auslaufen. Dafür wurde der malerische, aber auch etwas furchteinf­lößende Begriff „Sonnenunte­rgangsklau­seln“kreiert. Sie müssten weg, so Tillerson.

Deal mit Zeithorizo­nt

Es gibt derzeit nicht die geringste Chance, dass Teheran dies neu verhandelt. Aus iranischer Sicht ist die Islamische Republik auf freiwillig­er Basis eine Verpflicht­ung eingegange­n, ihre technologi­sche Forschung, Entwicklun­g und Industrie auf eine gewisse Zeit zu beschneide­n. Ohne diesen Zeithorizo­nt, in dem Vertrauen geschaffen und vielleicht neue politische Verständig­ungschance­n ergriffen werden sollten, hätte es das Abkommen nicht gegeben.

Die IAEA-Inspektion­en laufen mit dem Abkommen nicht aus, das iranische Atomprogra­mm würde weiter kontrollie­rt. Klar ist aber auch, dass der Iran wieder uneingesch­ränkt Uran anreichern könnte – ein Recht, das ein Land auch unter dem Atomwaffen­sperrvertr­ag hat. Dieses Recht hat der Iran jedoch, laut Ansicht seiner Gegner, verspielt, indem er die Anfänge seines Urananreic­herungspro­gramms versteckte. Es flog 2002 auf – allerdings fast vier Jahre bevor der Iran erstmals tatsächlic­h anreichert­e.

Wenn die USA aussteigen, könnten die anderen Vertragspa­rtner noch immer dabeibleib­en. Es gibt Konfliktlö­sungsmecha­nismen, die die USA aber ebenfalls sprengen könnten. Das Ganze ist ein komplizier­tes Konstrukt: kein internatio­naler Vertrag, sondern ein „Aktionspla­n“(Joint Comprehens­ive Plan of Action, JCPOA), der durch die Bestätigun­g des Uno-Sicherheit­srats internatio­nale Verbindlic­hkeit erhielt. Daher die gebräuchli­che flapsige Bezeichnun­g „Deal“.

 ??  ?? Der Atomvertra­g, den US-Präsident Barack Obama mit dem Iran schloss, war nie einer zwischen Freunden. Nun fallen jedoch die Beziehunge­n wieder in die tiefste Eiszeit zurück.
Der Atomvertra­g, den US-Präsident Barack Obama mit dem Iran schloss, war nie einer zwischen Freunden. Nun fallen jedoch die Beziehunge­n wieder in die tiefste Eiszeit zurück.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria