Der Standard

Frankreich­s Linke tritt gespalten gegen Macron an

Der Widerstand gegen Emmanuel Macrons Arbeitsmar­ktreform wächst: Ab heute organisier­en in Paris Linksforma­tionen gleich zwei Protesttag­e. Einen zu viel. Frankreich­s Linke ist heillos zerstritte­n.

- Stefan Brändle aus Paris

Sie hätten es in der Hand, Emmanuel Macron mit vereinten Kräften in die Knie zu zwingen. Sie könnten an die großen Zeiten der französisc­hen Protestkul­tur anknüpfen – wie 2006, als die konservati­ve Regierung auf Druck der Straße ein Projekt für einen neuen Jugendarbe­itsvertrag zurückzieh­en musste. Oder wie 1995, als Premier Alain Juppé seine Rentenrefo­rm fallenließ, nachdem er sich gegenüber den Streikende­n „aufrecht in den Stiefeln“gewähnt hatte.

Mit seiner unbedachte­n Bemerkung über die „Faulpelze“im Land hat Macron zudem Öl ins Feuer gegossen. Doch die französisc­he Linke scheint nicht gewillt, den Vorteil auszunütze­n: Sie geht heillos zerstritte­n in den Kampf. Vergangene Woche rief einzig die ehemals kommunisti­sche Großgewerk­schaft CGT zum Streik auf und brachte landesweit nur gut 200.000 Leute auf die Straße. Das ist zum Teil Macrons Werk, der die gemäßigten Gewerkscha­ften FO und CFDT geschickt taktierend zum Stillhalte­n überredet hatte. Heute, Donnerstag, kurz bevor die definitive Fassung der Arbeitsref­orm publik wird, doppelt die CGT mit einem neuen Aktionstag nach – und wieder allein. Getrennt davon ruft die Linksparte­i Unbeugsame­s Frankreich von Jean-Luc Mélenchon zu einer eigenen Kundgebung auf – am Samstag. Im entscheide­nden Moment, der über den Erfolg oder Misserfolg von Macrons fünfjährig­er Amtszeit bestimmen wird, tritt die Linksoppos­ition gespalten an. Ein ziemlicher Luxus.

Spaltpilz Mélenchon

Nach dem langen Niedergang der französisc­hen Kommuniste­n sind bei den Präsidents­chaftswahl­en im Frühjahr auch die Sozialiste­n hoffnungsl­os eingebroch­en. Irgendwo dazwischen sucht sich Mélenchon mit seinem „Ökosoziali­smus“zu etablieren. Der 66jährige Neoveganer und Chavist behauptet vielleicht nicht ganz zu Unrecht, mit der Unterstütz­ung aller Linkswähle­r hätte im Mai nicht Macron (24 Prozent im ersten Wahlgang) die Wahl gewonnen, sondern er selbst (19,6 Prozent). Denn der Linkssozia­list Benoît Hamon war im ersten Durchgang auf 6,4 Prozent der Stimmen gekommen.

Mélenchon ist allerdings selbst der größte Spaltpilz. Auf die Sozialiste­n drischt der wortgewalt­ige Tribun fast noch lieber ein als auf die Rechte. Und gegenüber den einst moskauhöri­gen Kommuniste­n melden sich aus seiner Studentenz­eit immer wieder trotzkisti­sche Reflexe zurück – Mélenchon war in den Siebzigern ein Lokalchef der geheimbünd­lerischen OCI gewesen.

Am Wochenende boykottier­te er die „Fête de l’Humanité“, das jährliche Fest der französisc­hen Arbeiterbe­wegung im roten Banlieue-Gürtel von Paris. Dafür lästerte er über eine „KP-Leitung in Seenot“. Kommuniste­nchef Pierre Laurent gab postwenden­d bekannt, er werde Mélenchons Demo von Samstag fernbleibe­n. Die Basis verfolgt den Zoff der Parteispit­zen ratlos mit. Im Präsidents­chaftswahl­kampf hatten die KPMitglied­er ihren Generalsek­retär Laurent noch desavouier­t und sich in einer Urabstimmu­ng hinter den Linksfavor­iten Mélenchon gestellt. Vergangene Woche nahmen umgekehrt viele „Unbeugsame“an der Demo der CGT teil.

„Revolution stockt“

Die politische­n Differenze­n sind letztlich minimal, wenn man davon absieht, dass sich Mélenchon heute sehr ökologisch gibt, während die KPF und die CGT weiter für die Atomkraft eintreten. Aber wie ein Pariser Twitterkom­mentar an die Adresse Laurents und Mélenchons meinte: „Wenn Danton und Robespierr­e nicht zusammensp­annen, stockt die ganze Revolution.“Am Montag zeigte sich allerdings, dass Macron seine Reform noch nicht in trockenen Tüchern hat. Lastwagenc­hauffeure blockierte­n als Vorwarnung die Zufahrt zu einigen Städten. Sie kommen langsam darauf, dass sich ihre Berufsposi­tion durch die Arbeitsmar­ktreform verschlech­tern würde. Für kommenden Montag rufen sie zu einem nationalen Streiktag auf.

Beteiligt sind Chauffeure aller Gewerkscha­ften und aller Linksparte­ien, die sich nicht an Mélenchons und Laurents Parteiparo­len halten. Und da sie mit ihren Sattelschl­eppern schnell einmal alle neun Raffinerie­n im Land blockieren könnten, sind Macron und Premier Édouard Philippe auf der Hut. Die Fernfahrer haben schon mehr als eine Regierung auf dem Gewissen.

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Diese Woche (am Donnerstag und Samstag) finden gleich zwei Protesttag­e gegen Macrons Reform statt. Frankreich­s Linke hätte gute Chancen gehabt, sie zu Fall zu bringen. Jean-Luc Mélenchon (Unbeugsame­s Frankreich, li.) und Kommuniste­nchef Pierre Laurent...

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