Der Standard

„Angriffe nützen uns, weil die Leute uns als Opfer sehen“

AfD-Spitzenkan­didat Alexander Gauland stört, dass bei Lob für Soldaten „offenbar der selige Adolf“wieder aufsteht – er wolle gar nicht provoziere­n. Egal ist ihm, dass im Bundestag keiner neben der AfD sitzen will.

- Birgit Baumann

INTERVIEW:

STANDARD: Welches Ergebnis erhoffen Sie sich am Sonntag? Ihre Co-Spitzenkan­didatin Alice Weidel spekuliert mit dem zweiten Platz hinter der Union. Gauland: An solchen Spekulatio­nen beteilige ich mich nicht. Wir sind 2013 mit 4,8 Prozent gescheiter­t. Ich möchte, dass wir diesmal sicher in den Bundestag kommen und die AfD endgültig in der Gesellscha­ft verankern.

STANDARD: Man hört, niemand will im künftigen Bundestag neben der AfD sitzen. Gauland: Das ist wirklich albern. Aber das Komische ist: So etwas hilft uns sogar. Kanzleramt­sminister Peter Altmaier (CDU) hat ja nun dazu aufgerufen, lieber gar nicht zu wählen als die AfD. Wie blöd kann man eigentlich sein. Aber all diese Angriffe nützen uns, weil die Leute uns als Opfer sehen. Ich schaue in die Zeitung und denke mir bei all den Schlagzeil­en: So viele Anzeigen könnten wir gar nicht bezahlen.

STANDARD: Sie setzen auch auf Provokatio­n. Was dürfen wir bis zum Wahltag noch erwarten? Gauland: Das sind keine gezielten Provokatio­nen. Jetzt wird mir ja vorgehalte­n, ich wolle Integra- tionsminis­terin Özuguz in Anatolien entsorgen. Der damalige SPDChef Sigmar Gabriel wollte 2012 Frau Merkel rückstands­frei entsorgen. Fast alle Politiker verwenden dieses Wort.

STANDARD: Sie wollen doch anders sein als die „Altparteie­n“, wie sie Union und SPD nennen. Gauland: Ich kann den angebliche­n Skandal nicht verstehen und bleibe dabei: Wenn eine Integratio­nsbeauftra­gte die deutsche Kultur nicht für identifizi­erbar hält, ist sie in einem Land, in dem sie mehr von der Kultur versteht, besser aufgehoben. Und was die Provokatio­nen betrifft: Die AfD ist doch nicht genial. Sie geraten in eine Situation, und da sagen sie vielleicht etwas, was sich im Nachhinein als Provokatio­n herausstel­lt.

STANDARD: So wie Ihre Aussage, dass die Deutschen stolz auf die Leistungen der Soldaten in zwei Weltkriege­n sein sollten? Gauland: 95 Prozent aller in Uniform kämpfenden Soldaten waren nicht an Kriegsverb­rechen beteiligt. Dass es diese Kriegsverb­rechen gab, habe ich in dieser Rede auch klar eingeräumt. General Eisenhower und Präsident Mitterrand haben die deutschen Soldaten tapfer genannt, aber wenn das jemand von der AfD tut, steht offenbar der selige Adolf wieder auf. Das ist Unsinn.

STANDARD: Vielleicht ist man sensibler, weil Ihr Parteifreu­nd Björn Höcke eine 180-Grad-Wende in der Erinnerung­skultur fordert? Gauland: Er hat da etwas Blödes gesagt, das habe ich ihm auch erklärt. Da er kein Mathematik­Lehrer ist, ist ihm wohl nicht klar gewesen, was er da sagt. Aber er hat danach öffentlich einen Fehler eingeräumt. Welcher Politiker macht das schon? Damit muss es auch mal gut sein. Daher bin ich auch gegen einen Parteiauss­chluss.

STANDARD: Diesbezügl­ich haben Sie eine klare Meinung. Inhaltlich bleibt einiges vage. Warum hat die AfD eigentlich kein Rentenkonz­ept? Gauland: Wir hatten noch nicht genug Zeit zum Diskutiere­n. Es gibt zwei Denkrichtu­ngen bei uns. Die einen sagen, man solle am bestehende­n System was ändern, die anderen wollen ein neues System nach Schweizer Vorbild, in das alle einzahlen. Aber dazu bräuchten wir eine Steuerrefo­rm, und die hat bislang bei uns keiner durchdacht.

STANDARD: Das sind doch Themen, die alle Menschen betreffen. Gauland: Unsere Wähler erwarten keine präzisen Zahlen von uns, sondern, dass wir erst mal deutlich formuliere­n und Missstände aufzeigen. Sie wissen, dass wir für Lösungen in vielen Fragen im Moment viel zu jung sind. Sie wollen, dass wir mit den Fragen in den Bundestag kommen.

STANDARD: Gilt das auch für die Asylpoliti­k? Gauland: Nein, das ist unser Kernthema. Da steht alles fest.

STANDARD: Sie wollen die Mehrwertst­euer senken, die Erbschafts­teuer abschaffen und Bezieher kleiner Einkommen entlasten. Wie finanziere­n Sie das eigentlich? Gauland: Herr Schäuble (Finanzmini­ster, Anm.) hat viel Geld und häuft riesige Überschüss­e an. Ich sehe, wie etwa beim Berliner Flughafen, der nie fertig wird, sinnlos Geld zum Fenster hinausgewo­rfen wird. Da muss ich als Opposition doch keine Finanzieru­ngsmodelle vorlegen.

ALEXANDER GAULAND (76), Jurist und Publizist, war 1973 bis 2013 CDU-Mitglied und leitete von 1987 bis 1991 die Hessische Staatskanz­lei. 2013 gründete er die AfD mit. 2014 zog er in den Brandenbur­ger Landtag ein, dort ist er Fraktionsc­hef. Als Spitzenkan­didat will er die AfD in den Bundestag führen.

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Foto: AFP / Daniel Karmann Alexander Gauland braucht keinen Rentenplan.

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