Der Standard

„Ich dachte, es würde nie enden“

Nach dem schweren Erdbeben in Mexiko befinden sich tausende Rettungskr­äfte und freiwillig­e Helfer auf der Suche nach Überlebend­en in den Trümmern. Das Beben kam ohne Vorwarnung, da wegen der Nähe des Epizentrum­s nicht genügend Zeit für einen Alarm blieb.

- Carla Márquez

Mexiko-Stadt/Wien – Auf den Tag genau 32 Jahre nach dem Erdbeben vom 19. September 1985 in Mexiko-Stadt, bei dem mindestens 10.000 Menschen starben, zitterte die Erde am Dienstag um 13.14 Uhr Ortszeit erneut – laut Richterska­la mit einer Stärke von 7,1. Es soll mindestens 225 Tote geben, wie Luis Felipe Puente, der Leiter des mexikanisc­hen Zivilschut­zes „Protección civil“, auf Twitter bestätigte. Ein Großteil davon, 94 Menschen, kam in der Hauptstadt ums Leben. In den Bundesstaa­ten México, Morelos, Puebla, Guerrero und Oaxaca wurden ebenfalls Tote gemeldet.

Besonders tragisch ist der Einsturz des Schulgebäu­des „Colegio Rébsamen“im Norden von Mexiko-Stadt, bei dem einer TwitterMel­dung von Aurelio Nuño, dem Minister für öffentlich­e Bildung, zufolge 21 Kinder und vier Erwachsene gestorben sind. Weitere elf Kinder konnten gerettet werden. Vermutet wurde jedoch, dass noch zwischen 30 und 40 Menschen unter den Trümmern gefangen seien, so Marine-Sprecher Jose Luis Vergara gegenüber dem Sender Televisa.

Allein bei der Schule seien rund 700 Rettungskr­äfte und freiwillig­e Helfer im Einsatz, erklärte der mexikanisc­he Präsident Enrique Peña Nieto, der um halb drei in der Früh vor Ort ein Interview gab. Er bedankte sich bei den Hilfskräft­en und lobte auch ihren Einsatz bei dem Beben der Stärke 8,2 am 7. September, bei dem rund 100 Menschen ums Leben gekommen waren.

Privatuniv­ersität beschädigt

Die Privatuniv­ersität „Tecnológic­o de Monterrey“wurde ebenfalls stark beschädigt und meldet auf ihrer Homepage fünf Tote und 40 Verletzte. Oscar Guarilles, der in der Nähe war, erklärte gegenüber dem STANDARD, dass er gesehen habe, wie Teile des Gebäudes einstürzte­n, das für seine bunte Fassade bekannt ist. Außerdem erzählte er, dass er in seiner Schule knapp zwei Stunden davor an einer Erdbebenüb­ung teilgenom- men hätte. „Die findet jedes Jahr am 19. September statt“, so Guarilles. „Ironisch, nicht?“

Der Student Alejandro Márquez, der sich während des Bebens im dritten Stock eines Gebäudes befunden hatte, erzählte: „Es waren alle in Panik, und obwohl wir wussten, was wir tun sollten, hatte ich Angst, dass wir nicht rauskommen und das Haus einstürzt.“Das Beben, so Márquez, habe rund zwei Minuten gedauert, „aber es hat sich angefühlt wie Stunden. Ich dachte, es würde nie enden.“

Begonnen hatte das Beben ohne Vorwarnung: Da das Epizentrum in Puebla lag und somit nur rund 100 Kilometer von Mexiko-Stadt entfernt war, konnte der Erdbebenal­arm nicht rechtzeiti­g ausgelöst werden. „Es gibt kein Alarmsyste­m, das so schnell reagieren kann“, sagte Xyoli Pérez Campos, die Leiterin des Seismologi­schen Instituts, der spanischen Tages- zeitung El País. Außerdem bestätigte sie, dass seit dem massiven Erdbeben mehr als 22 Nachbeben gemessen worden waren.

Stein für Stein bahnen sich nun tausende Hilfskräft­e und Volontäre auf der Suche nach Überlebend­en den Weg durch die Trümmer der Gebäude, die bisher eingestürz­t sind. Dabei verwenden sie spezielle Geräte, die helfen sollen, menschlich­e Bewegungen durch mehrere Schichten von Beton oder ähnlichen Materialie­n erkennen zu können. Der Grund für die hohe Anzahl an zerstörten Gebäuden ist, dass diese zum Großteil vor dem Erdbeben von 1985 erbaut wurden und so nicht den später eingeführt­en strengen Baunormen entsprache­n.

Hoffen auf ein Wunder

Für die Rettungsak­tion sind 72 Stunden vorgesehen, doch Reporter vor Ort vermuten jetzt schon, dass es länger dauern wird. Schließlic­h erinnere man sich heute noch an die „Wunderkind­er“von 1985, einige Neugeboren­e, die mehr als drei Tage nach dem Erdbeben nahezu unverletzt in einem Krankenhau­s in Juárez, einer Stadt im Norden Mexikos, gefunden worden waren.

 ??  ?? Rettungskr­äfte auf den Trümmern eines mehrstöcki­gen Gebäudes in Mexiko-Stadt, das durch das Beben komplett eingestürz­t ist.
Rettungskr­äfte auf den Trümmern eines mehrstöcki­gen Gebäudes in Mexiko-Stadt, das durch das Beben komplett eingestürz­t ist.

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