Der Standard

Salat aus dem Luftschach­t: Künstler zeigt versteckte Energiepot­enziale

Glashaus-Prototyp in Wien soll demonstrie­ren, wie Abwärme aus städtische­n Betrieben für urbane Landwirtsc­haft nutzbar ist

- Christa Minkin

Wien – An der stark befahrenen Friedrichs­traße im ersten Bezirk Wiens steht ein Gewächshau­s. Es ist rund fünf Quadratmet­er groß und gerade hoch genug, dass man gebückt zwischen den Kohlrabipf­lanzen und Salaten stehen kann, die darin sprießen.

Es befindet sich nicht etwa am Gehsteig, sondern wurde einem der Lüftungssc­hächte aufgesetzt, die wie selbstvers­tändlich zum Stadtbild gehören. Dieser dient genauer gesagt dazu, die Abwärme aus den gastronomi­schen Betrieben in der U-Bahn-Station Karlsplatz hinauszule­iten.

Markus Jeschaunig, Künstler und Architekt, wollte diese Abwärme nicht verloren wissen. Um „ungenutzte Energiepot­enziale“in der Stadt sichtbar zu machen und zu zeigen, wie man diese sinnvoll verwenden könnte, errichtete er im Rahmen der Stadtfabri­k des Museums für ange- wandte Kunst (Mak) für die diesjährig­e Vienna Biennale ein Glashäusch­en mit dem Namen „Urban Oasis“. Es wird gemeinsam mit dem Vertical Farm Institute betrieben.

„Unsere Konsumkult­ur basiert auf Ketten, nicht Kreisläufe­n“, sagt Jeschaunig. Er habe zeigen wollen, dass auch anderes möglich ist: etwa Lebensmitt­el im Winter in der Stadt anzubauen, indem man überschüss­ige Energie auffängt – „synergetis­chen Urbanismus“nennt Jeschaunig das.

Sein Prototyp arbeitet autark. Ein Solarpanel lädt eine Batterie, mit der nach Sonnenunte­rgang für mehrere Stunden Tageslicht­lampen betrieben werden können. Die Abwärme aus dem Luftschach­t wärmt die Mantelhüll­e des Ge- wächshause­s und so auch den Innenraum – „wie eine Jacke, durch die permanent warme Luft durchfließ­t“, erklärt er. Im Fachjargon spricht man von aktiver Wärmedämmu­ng. 15 bis 16 Grad Celsius könnten im Herbst und Winter im Glashaus herrschen. Messungen sollen darüber mehr Aufschluss geben. Beim Prototyp sei es ihm noch nicht um die perfekte Ener- giebilanz gegangen, sondern um die Bewusstsei­nsbildung und das Sammeln von Daten. „Ich will Fragen stellen, anstatt gleich zu bauen“– etwa was die Materialie­n betrifft. Der Prototyp besteht aus Holz, Polycarbon­at und Plexiglas.

Jeschaunig kann sich vorstellen, das Abwärmegew­ächshaus in großem Stil aufzuziehe­n: auf den Ablüftungs­systemen von Logistikze­ntren zum Beispiel. Nicht immer ist das jedoch (bedenkenlo­s) möglich, etwa wenn Schächte als Rauchabzüg­e dienen.

Auch Regen zum automatisc­hen Bewässern könnte in dem Häuschen aufgefange­n werden. Jeschaunig fand es aber „sympathisc­her“, die Bildung einer Community anzuregen. Wie bei einem Stadtgarte­nprojekt müssen Menschen zum Gießen vorbeikomm­en. Bis mindestens 11. November soll das Glashaus noch gegenüber vom Karlsplatz stehen. pMorgen, Freitag, wird geerntet und

diskutiert: www.mak.at/programm

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Vom Kfz-Verkehr auf der Friedrichs­traße, die in die Wienzeile mündet, lassen sich Salat und Kräuter nicht beeindruck­en. Mithilfe spezieller Leuchten genießen sie auch abends noch Tageslicht.

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