Strategiepapiere: Teile laut ÖVP echt, andere nicht
Die ÖVP will nicht verraten, in welchem Ausmaß enge Mitarbeiter von Sebastian Kurz in die Vorbereitung der Machtübernahme involviert waren. Experten fordern nun eine Prüfung durch den Rechnungshof.
Wien / New York – Die Sprachregelung hat sich etwas geändert. Als in Österreich und der Krone erste Berichte über angebliche Strategiepapiere auftauchten, die zeigen sollen, dass sich Sebastian Kurz schon im Vorjahr auf die Übernahme der ÖVP-Spitze vorbereitet hat, wurde in der Volkspartei noch betont, dass die Papiere nicht aus dem Kurz-Büro stammen würden.
Nun heißt es in Parteikreisen, man bezweifle die Echtheit des Papiers „in seiner Gesamtheit“an, gebe aber zu, dass „ein Teil“echt ist. Es sei ja „kein Verbrechen“, sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Schließlich habe es schon beim Rücktritt von Michael Spindelegger im August 2014 ein massives Interesse gegeben, Kurz an die Parteispitze zu hieven.
Woher die gefälschten Teile stammen, darüber will man in der Volkspartei nicht spekulieren. Einen Leak aus Kurz’ direktem Umfeld könne man aber ausschließen. Die Aufregung versteht man ohnehin nicht: Kurz bekomme ungefragt „viele Ideen und Beiträge angeboten“, heißt es bei den Türkisen. Daher sei es unmöglich, zu wissen, woher jene Teile dieses Papiers stammen, die nicht von Kurz-Leuten verfasst wurden.
Zuvor hatte der Falter ausführlich aus den Unterlagen zitiert und berichtet, auch drei Kabinettsmitarbeiter des Außenministers hätten daran mitgearbeitet. Es geht dabei um Stefan Steiner, der im Vorjahr noch Sektionschef im Außenamt war und heute in der Bundespartei tätig ist, um Andreas Lederer, der seit Anfang 2015 Referent im Ministerium ist, und um Bernhard Bonelli. Letzterer ist allerdings laut seinem LinkedinProfil erst seit Juni des heurigen Jahres im Kabinett.
Was genau die Kabinettsmitarbeiter vorbereitet haben und wo man einen Fälschungsverdacht hat, darüber will die ÖVP keine Auskunft geben. Betont wird lediglich, „es sei ein Leichtes, Manipulationen an einem Text im Namen einer anderen Person vorzunehmen“. Ex-Generalsekretär Werner Amon sagte zum STANDARD, er gehe davon aus, dass ein Teil der Papiere in der Arbeitszeit von Mitarbeitern der Bundespartei erstellt wurde. Aber: „Alles andere ist ein Gerücht, das halte ich für FakeNews, ehrlich gesagt.“
Nicht erreichbar
Mit den erwähnten Kabinettsmitarbeitern persönlich zu sprechen ist derzeit nicht möglich. Der Sprecher von Kurz im Außenministerium, Gerald Fleischmann, beantwortet diesbezügliche Fragen nicht mehr. Er meint nur: „Es ist alles gesagt.“
Der Politologe und Experte für Parteienfinanzen, Hubert Sickinger, ist wie berichtet der Ansicht, dass parteipolitische Tätigkeiten von Kabinettsmitarbeitern, sofern diese einen „relevanten Teil der Arbeitszeit“einnehmen, als „lebende Subvention“zu werten seien und somit eine unzulässige Spende vorläge. Laut Paragraf 6 des Parteiengesetzes dürfen politische Parteien keine Spenden von öffentlich-rechtlichen Körperschaften – solche sind Ministerien – annehmen.
Wenn Kabinettsmitarbeiter Konzepte darüber erstellen, wie der damals stellvertretende ÖVPChef Kurz zum neuen ÖVP-Obmann aufsteigen soll, dann sei hier ganz klar eine Grenze überschritten, wie Sickinger zum STANDARD sagt. Aus seiner Sicht müsste die ÖVP nun die Spende quantifizieren und diesen Betrag, wie bei anderen illegalen Spenden, an den Rechnungshof überweisen sowie ihn im Rechenschaftsbericht der Partei ausweisen.
Im Umfeld des Außenministers – offiziell wird, wie gesagt, nichts kommentiert – heißt es nur, das wäre realitätsfremd. Alle Kabinettsmitarbeiter, selbstverständlich auch jene der SPÖ, würden gleichzeitig auch Parteiarbeit leisten. Verwiesen wird etwa auf rote Referenten, die permanent Tweets gegen Kurz absetzen würden.
Der frühere Rechnungshof-Präsident Franz Fiedler sieht die Problematik im Grunde aber ähnlich wie Sickinger. Auch für ihn ist klar, dass vom Staat bezahlte Beamte oder Vertragsbedienstete „überhaupt keine Parteiarbeit im Dienst verrichten“dürfen. Theoretisch wäre sogar die Frage zu stellen, ob hier nicht Amtsmissbrauch vorliege, wie Fiedler im STANDARD- Gespräch sagt. Bevor man eine Antwort darauf geben könne, müsse man den Fall aber genau untersuchen, schließlich könnten „gewisse Dinge ja auch in der Freizeit gemacht werden“.
Rufe nach Prüfung
Sowohl Sickinger als auch Fiedler hielten allerdings eine Prüfung der Tätigkeiten von Kabinettsmitarbeitern durch den Rechnungshof für sinnvoll. Politologe Sickinger: Es sei seit langem zu beobachten, dass Referenten oder auch Pressesprecher Aufgaben weit über ihre Ressortagenden hinaus übernehmen würden.
Für die anderen Parteien sind die Strategiepapiere jedenfalls ein gefundenes Fressen im Wahlkampf. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler fordert wie zuvor schon die Grünen Aufklärung durch den ÖVP-Chef. „Kurz und seine VP inszenierten sich stets als Opfer. Tatsächlich haben sie schon 2016 Konzepte erstellt, die sich heute 1:1 umgesetzt auf anonymen Dirty-Campaigning-Seiten wiederfinden, mit denen die ÖVP aber nichts zu tun haben will.“Die Neos kündigen eine parlamentarische Anfrage an den Außenminister an. Sie wollen wissen, welche Kosten dem Ressort durch die Ausarbeitung der Pläne entstanden sind.
Kurz, der am Dienstag noch bei der Uno-Generalversammlung in New York weilte, wird nun übrigens schon etwas früher zurückkommen. Er sei etwas kränklich und müsse sich vor dem offiziellen Wahlkampfauftakt am Samstag auskurieren, so die offizielle Auskunft.