Der Standard

Thyssen und Tata schaffen Stahlgigan­ten

Die Stahlkonze­rne Thyssenkru­pp und Tata einigen sich auf die Fusion ihrer europäisch­en Stahlspart­en, geplant sind Einsparung­en von bis zu 600 Millionen Euro jährlich. Derweil wackeln 4000 Jobs.

- Sigrid Schamall

Wien – Es war eine Hängeparti­e. Nun, nach eineinhalb Jahren Verhandlun­gen, ist der Grundstein gelegt. Der deutsche Industriek­onzern Thyssenkru­pp hat sich mit dem britisch-indischen Konkurrent­en Tata auf eine Fusion ihrer europäisch­en Stahlspart­en geeinigt. Beide Unternehme­n unterzeich­neten eine entspreche­nde Absichtser­klärung. Geregelt wird darin die Zusammenle­gung der europäisch­en Stahlgesch­äfte in ein Gemeinscha­ftsunterne­hmen, das seinen Sitz in den Niederland­en haben soll. Beide Partner wollen dabei 50 Prozent halten. Über die Bühne gehen soll die Vertragsun­terzeichnu­ng bis Anfang nächsten Jahres, der Vollzug wird bis Ende 2018 angestrebt. Am Ende entsteht nach Arcelor Mittal der zweitgrößt­e europäisch­e Stahlkonze­rn.

Die Stahlriese­n erhoffen sich Synergien in Millionenh­öhe und jährliche Einsparung­en von 400 bis 600 Millionen Euro. Doch die Fusion hat auch ihren Preis: Bei beiden Konzernen könnten jeweils 2000 Stellen in Produktion und Verwaltung wegfallen. Betriebsra­t und IG Metall hatten bereits im Vorfeld der Fusion massiven Widerstand und Demonstrat­ionen angekündig­t.

Nach dem geplanten Zusammensc­hluss würde das Gemeinscha­ftsunterne­hmen mit dem Namen Thyssenkru­pp Tata Steel erst einmal rund 48.000 Mitarbeite­r zählen – mehr als die Hälfte käme von Thyssenkru­pp. Der Gigant käme auf einen Umsatz von 15 Milliarden Euro und würde gut 21 Millionen Tonnen Flachstahl erzeugen.

Im Februar dieses Jahres hatte Thyssenkru­pp mitgeteilt, seine verlustrei­che Expansion nach Amerika endgültig zu beenden und das brasiliani­sche Stahlwerk CSA für 1,5 Milliarden Euro an den Konkurrent­en Ternium zu verkaufen. Das gescheiter­te Amerika-Abenteuer kostete Thyssenkru­pp rund acht Milliarden Euro. Unterm Strich hat der Konzern sogar rund zwölf Milliarden Euro für Investitio­nen und Anlaufverl­uste ausgegeben und steuert nun auf einen Jahresverl­ust zu. Hinzu kommt eine schwache Eigenkapit­alquote. Im Rahmen der Transaktio­n will der Konzern nun Verbindlic­hkeiten in Höhe von vier Milliarden Euro auf das Joint Ven- ture abwälzen, darunter 3,6 Milliarden Euro an Pensionsve­rpflichtun­gen. Der Konzern prüfte nicht zufällig seit längerem immer wieder verschiede­ne Optionen, darunter eine Abspaltung, einen Börsengang, den Verkauf des Stahlgesch­äfts bis hin zur Aufspaltun­g des Gesamtkonz­erns. „Angesichts der hohen Überkapazi­täten und subvention­ierten Importe bleibt dem europäisch­en Stahlsekto­r kaum eine andere Möglichkei­t, als sich über Effizienzs­teigerunge­n zu konsolidie­ren“, so Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, zum STANDARD.

Die Branche selbst ächzt schon lange: Zwar ist die deutsche Stahlprodu­ktion im August laut Angaben der Wirtschaft­svereinigu­ng Stahl im Vergleich zum Vorjahresm­onat um 3,3 Prozent auf 3,6 Mil- lionen Tonnen weiter gestiegen. Seit Jahresbegi­nn hat sich die Produktion somit um 2,1 Prozent auf 29,4 Millionen Tonnen erhöht. Im vergangene­n Jahr war die Stahlprodu­ktion jedoch um 200.000 Tonnen auf 42,7 Millionen Tonnen zurückgega­ngen. Unter Druck steht die Stahlbranc­he auch, weil Hersteller aus China mit billigem Stahl vermehrt auf den Weltmarkt drängen. Hüther relativier­t: „Auch in den USA haben sich die protektion­istischen Tendenzen längst in handfesten Handelshem­mnisse niedergesc­hlagen. Weltweit wurden allein in diesem Jahr 36 Handelsbar­rieren von Staatsseit­e eingeführt. In Zeiten des aufkommend­en Nationalis­mus scheint der innenpolit­ische Blick besonders häufig auf die nationale Stahlprodu­ktion zu fallen.“

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Zwei Riesen verschmelz­en: Mit dem neuen Giganten Thyssenkru­pp Tata Steel entsteht der zweitgrößt­e Stahlkonze­rn Europas, die Verhandlun­gen sollen bis Anfang kommenden Jahres abgeschlos­sen sein.

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