Der Standard

KOPF DES TAGES

„Real Mr. Brexit“wechselt zur Chefin

- Sebastian Borger

Dem Führungspe­rsonal der wichtigste­n britischen Ministerie­n stehen die EU-Feinde in der konservati­ven Fraktion extrem misstrauis­ch gegenüber. Nicht ganz zu Unrecht vermuten sie die meisten der nach außen streng neutralen Spitzenbea­mten im Lager jener, die für eine möglichst enge Anbindung an Brüssel plädieren.

Oliver Robbins gehört gewiss dazu. Vielleicht trug dies dazu bei, dass der 42-Jährige zu Wochenbegi­nn aus dem Brexit-Ministeriu­m ausschied und sich nun ganz auf die Rolle als Chefberate­r von Premiermin­isterin Theresa May konzentrie­rt. Brexit-Minister David Davis, 68, gehört zu den eingefleis­chten EU-Hassern, im Ministeriu­m war immer wieder von Differenze­n zwischen dem Minister und dessen Staatssekr­etär die Rede. Robbins’ Weggang verstärkt den Eindruck einer Personalkr­ise: In den vergangene­n Monaten kamen Davis bereits zwei Staatssekr­etäre sowie sein Stabschef James Chapman abhanden.

Robbins, Absolvent des berühmten Studiengan­gs für Politik, Wirtschaft und Philosophi­e an der Uni Oxford, hat seither in den wichtigste­n Londoner Ministerie­n steile Karriere gemacht. Nach zehn Jahren im Finanzmini­sterium diente er den Labour-Pre- miers Tony Blair und Gordon Brown als Privatsekr­etär, ehe er Führungsau­fgaben in der Koordinati­on der Geheimdien­ste übernahm. Die jetzige Premiermin­isterin lernte er als Staatssekr­etär im Innenminis­terium kennen.

Bei seinen Verhandlun­gspartnern in Brüssel genießt Robbins einen guten Ruf. Medien bezeichnen ihn auch gerne als den „Real Mr. Brexit“. Im Sommer musste er sich allerdings Kritik dafür gefallen lassen, dass er angesichts der Brüsseler Hitze zu einem Brexit-Gespräch in Shorts erschien. Im kühleren Herbst dürfte den humorvolle­n und versierten Beamten, der kein Privatlebe­n zu haben scheint, eher sein schwierige­s Verhältnis zu Davis ins Schwitzen bringen. Nicht zuletzt werden die EUPartner herausfind­en müssen, ob in letzter Konsequenz das Wort des Ministers mehr zählt als die Bemerkunge­n desjenigen, der das Ohr der Premiermin­isterin hat.

Dass Robbins mit der gleichzeit­igen Führung des Ministeriu­ms samt seiner 400 Mitarbeite­r und der Brüsseler Verhandlun­gen überforder­t war, bezweifelt im Regierungs­viertel Whitehall kaum jemand. Seine auch äußerliche Trennung vom politische­n Chefunterh­ändler Davis macht seine Position nicht leichter.

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Foto: gov.uk Oliver Robbins ist neuer EU-Chefberate­r von Theresa May.

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