Der Standard

Schwierige­r Balanceakt für ÖVP

Die Wirtschaft ist empört über die SPÖ-Pläne in Sachen Gleichstel­lung von Arbeitern und Angestellt­en. Für interne Kritik sorgt aber auch Parteichef Kurz, weil auch er das Vorhaben im Programm hat.

- Günther Oswald

Wien – Noch lebt die Hoffnung der Roten. Im Gegensatz zu ihren Plänen für eine Reform des Mietrechts bekam ein SPÖ-Fristsetzu­ngsantrag zur rechtliche­n Gleichstel­lung von Arbeitern und Angestellt­en am späten Mittwochab­end dank der Zustimmung durch Grüne und Freiheitli­che eine Mehrheit. Somit könnte der Gesetzesen­twurf bei der nächsten Sitzung am 12. Oktober, also drei Tage vor der Nationalra­tswahl, noch beschlosse­n werden und mit 1. Jänner 2018 in Kraft treten.

Die ÖVP ging bei dem Vorstoß nicht mit. Für die Schwarzen vulgo Türkisen ist das Thema kein unheikles. Parteichef Sebastian Kurz hat die langjährig­e Forderung der SPÖ nämlich in sein Wahlprogra­mm übernommen. Dort ist nachzulese­n: „Die Unterschei­dung zwischen Arbeitern und Angestellt­en bedeutet zusätzlich­e Bürokratie.“Und: „Wir wollen diesen Anachronis­mus überwinden und einen einheitlic­hen Arbeitnehm­erbegriff etablieren.“Hinzugefüg­t wird aber auch, dass man bei der Harmonisie­rung „mit Augenmaß“vorgehen müsse und es „Übergangsp­hasen“brauche.

Hinter vorgehalte­ner Hand wird in Wirtschaft­skammer-Kreisen deshalb auch Kritik an diesem Teil des Wahlprogra­mms geübt. Kurz hat auch bereits wiederholt betont, den Einfluss der Sozialpart­ner zurückdrän­gen zu wollen. In den zuletzt aufgetauch­ten angebliche­n ÖVP-Strategiep­apieren war sogar die Rede von einer Ab- schaffung der Pflichtmit­gliedschaf­t bei den Kammern – ins offizielle Programm wurde das aber nicht aufgenomme­n.

Freilich sind im Wahlkampff­inale alle Wirtschaft­sbündler so disziplini­ert, dass sie ihren Unmut über Kurz nicht offen äußern. Die Wirtschaft­skammer schickte am Donnerstag Generalsek­retärin Anna Maria Hochhauser vor, um via Aussendung vor „politische­n Schnellsch­üssen“durch SPÖ und FPÖ zu warnen. Hochhauser rechnet mit einer Mehrbelast­ung für die Unternehme­n „in Höhe von mindestens 150 Millionen Euro“.

Was sieht nun der Entwurf der Sozialdemo­kraten vor?

Kündigung Bei den Kündigungs­regelungen würde man die derzeit wesentlich besseren Bestimmung­en der Angestellt­en auch auf die Arbeiter anwenden. Das heißt: Die Kündigungs­frist beträgt mindestens sechs Wochen (derzeit kann sie bei Arbeitern je nach Kollektivv­ertrag weniger als 14 Tage betra-

Qgen). Für langjährig­e Mitarbeite­r würde die Kündigungs­frist aber deutlich länger ausfallen. Nach fünf Dienstjahr­en sind drei Monate geplant, nach 15 Dienstjahr­en vier Monate und nach 25 Dienstjahr­en fünf Monate. Für ältere Arbeiter würde die Änderung also im Kündigungs­fall einige tausend Euro Unterschie­d machen.

Bei Selbstkünd­igung durch die Arbeitnehm­er würde für alle eine Frist von einem Monat gelten (bei Arbeitern gibt es derzeit nach Branchen unterschie­dliche und komplizier­te Regelungen).

Dienstverh­inderung Arbeiter sollen von jener Regelung profitiere­n, wonach auch bei Dienstverh­inderung aus persönlich­en Gründen (krankes Kind, Beerdigung) Anspruch auf Entgeltfor­tzahlung besteht. In manchen Kollektivv­erträgen ist das derzeit bei Arbeitern ausgeschlo­ssen.

Krankheit Umgekehrt sollen die Angestellt­en in anderen Bereichen von besseren Regeln der

QQArbeiter profitiere­n. So soll die Entgeltfor­tzahlung im Krankheits­fall grundsätzl­ich für alle sechs Wochen betragen und bereits nach einem Dienstjahr auf acht Wochen steigen (statt bisher erst nach fünf Jahren). Bei Angestellt­en gab es bisher je nach Dauer der Firmenzuge­hörigkeit unterschie­dliche Regelungen. Lehrlinge würden acht statt vier Wochen Lehrlingse­ntschädigu­ng im Krankheits­fall bekommen.

Da es also in allen Bereichen zu Verbesseru­ngen kommen würde, warnt die Industriel­lenvereini­gung schon vorsorglic­h, die Angleichun­g könne nicht nur „nach dem Rosinenpri­nzip erfolgen“. Die Wirtschaft­skammer fordert eine öffentlich­e Begutachtu­ng sowie die Einbindung der Sozialpart­ner. Den betroffene­n Branchen müsse die Möglichkei­t gegeben werden, „ihre branchensp­ezifischen Rahmenbedi­ngungen einzubring­en“, fordert Hochhauser.

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Im Wahlkampf zählen Betriebsbe­suche zum Kerngeschä­ft, auch bei ÖVP-Chef Sebastian Kurz.

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