Mindestsicherung in Wien: Derzeit sanfter Anstieg
Die Zahl von Beziehern der Mindestsicherung in Wien hat sich zuletzt stabilisiert. Problematisch ist der massive Anstieg bei Asylberechtigten und bei Jungen. Für Rot-Grün verbreite Sebastian Kurz „Schwachsinn“.
Wien – Mitten im Nationalratswahlkampf für ihre Parteien rückten Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou gemeinsam aus, um die Wiener Entscheidung gegen Kürzungen und Deckelungen bei der Mindestsicherung zu verteidigen. Die von der Stadtspitze vereint vorgebrachte Botschaft war deutlich: ÖVP-Chef Sebastian Kurz solle aufhören, „Schwachsinn“zu verbreiten, sagte Vassilakou.
Gemeint waren die Attacken von Kurz auf seine rot-grün geführte Heimatstadt Wien. Die Zuwanderung müsse reduziert und die Integrationspolitik in Wien verändert werden, hatte der Außen- und Integrationsminister gefordert. Wiener würden sich überlegen, umzuziehen, „weil sie sich in ihrer Gasse mittlerweile etwas fremd fühlen“, sagte Kurz.
Häupls Konter: „Wir lassen uns von einem Herrn Kurz sicher nicht beschimpfen.“Im Programm von Kurz gebe es „Milliardengeschenke für die Reichen, während man den Ärmsten ihren Bettel auch noch kürzen will. Das ist unerträglich.“
Vassilakou sowie die grüne Sozialsprecherin Birgit Hebein verwiesen auf geplante berufsfördernde Maßnahmen oder die verstärkte Kooperation mit dem Arbeitsmarktservice (AMS), um Menschen aus der Mindestsicherung zu bekommen. Das neue Wiener Mindestsicherungsgesetz befindet sich in Begutachtung und soll Anfang 2018 in Kraft treten.
Für Sozialstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) könne sich Wien keine Kürzungen beim untersten sozialen Netz leisten, um den sozialen Frieden und die Sicherheit in der Stadt nicht zu gefährden. „Davon profitieren auch die Reichen“, sagte sie.
Gemeinsam legten SPÖ und Grüne Zahlen zur Mindestsicherung vor. Demnach hat sich die Zahl der Bezieher zuletzt stabilisiert (siehe Grafik). Von August 2016 auf August 2017 betrug der Anstieg 1471 Personen. Insgesamt bekamen im August 2017 genau 144.177 Personen diese Form des Sozialgelds. Nur rund zehn Prozent erhalten die volle Höhe (844,46 Euro). Problematisch bleibt aber der massive Anstieg bei Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten. In nur einem Jahr bis August 2017 nahm diese Zahl von 35.034 auf 44.200 zu, das ist ein Plus von 9166. Im gleichen Zeitraum nahm die Zahl österreichischer Bezieher von 75.461 auf 70.858 ab. Laut Stadtregierung ist das der guten Arbeitsmarktlage geschuldet. Asylberechtigte können vorerst nicht davon profitieren, weil sie vielfach erst fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden müssen. Das erhofft sich die Stadt durch berufsfördernde Anreize zu erreichen. Von einer Entspannung kann aber nicht gesprochen werden, da tausende Flüchtlinge noch auf ihre Asylentscheidung warten. Für den Großteil der Asylberechtigten heißt es dann, dass sie von der Grundversorgung zunächst direkt in die Sozialleistung Mindestsicherung rutschen.
Der Umgang mit den Flüchtlingen ist für Häupl „eine Herausforderung, keine Frage“. Aber die Dimension sei nicht so problematisch. So machte die Mindestsicherung in Österreich mit zuletzt rund einer Milliarde Euro im Jahr laut Frauenberger 0,5 Prozent aller Sozialleistungen aus. „Damit wird kein Budget saniert“, meinte sie zu den Kürzungen etwa in Nieder- und Oberösterreich.
Anstieg bei jungen Beziehern
Kritisch wird die Entwicklung bei jungen Beziehern eingeschätzt. 2016 waren von insgesamt knapp 200.000 Beziehern fast 90.000 Kinder, Junge und Jugendliche – 10.000 mehr als 2015. Auch hier sollen Ausbildungsund Beschäftigungsanreize dabei helfen, arbeitsfähige Junge in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Der gemeinsame Auftritt von Häupl und Vassilakou sendet mitten im Wahlkampf auch deutliche Signale nach innen. Schließlich hatte SPÖ-Nationalratsabgeordneter Harald Troch, der auch Bezirksparteichef in Simmering ist, von Häupl ein Bekenntnis zum Aus für Rot-Grün vor der Wahl gefordert. Zudem müsse die Sogwirkung bei der Mindestsicherung beendet werden. Häupl: „Mit dem, was Troch gesagt hat, kann ich nicht leben.“