Der Standard

Österreich stützt Macrons EU-Reformgrup­pe

Gipfel in Tallinn als Auftakt zu Umbauplan – Digitale Wirtschaft soll Budgets stärken

- Thomas Mayer aus Tallinn

Die EU-Staaten wollen gemeinsam mit der Kommission das Reformtemp­o erhöhen, um die künftige Union aus 27 Staaten nach dem Austritt von Großbritan­nien Ende März 2019 zu stärken. Engere Kooperatio­n und mehr Integratio­n soll es in den Bereichen Sicherheit und Verteidigu­ng, bei der Steuerpoli­tik bzw. der Fiskalpoli­tik in der Eurozone geben, ohne dass dafür eine Änderung der EUVerträge nötig wird.

Darauf haben sich die Staatsund Regierungs­chefs bei einem informelle­n Sondergipf­el am Freitag in der estnischen Hauptstadt Tallinn geeinigt. Das Treffen war eigentlich angesetzt worden, um dem Ziel eines gemeinsame­n digitalen Binnenmark­tes, der rascheren Modernisie­rung von Netzwerken und der Cybersecur­ity neuen Schub zu geben. Von Beginn an standen jedoch in der Nacht auf Donnerstag die jüngsten EU-Reformplän­e des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron und von Kommission­schef Jean-Clau- de Juncker im Zentrum. Dazu sei „viel Übereinsti­mmung“gefunden worden, bestätigte­n Teilnehmer. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hieß die MacronAgen­da ausdrückli­ch gut, kündigte eigene Vorstöße an, sobald die Regierungs­bildung in Berlin vorankäme, eine Koalition von CDU/CSU mit FDP und den Grünen. Laut Bundeskanz­ler Christian Kern werde sich eine Gruppe von sieben bis acht „Vorreiters­taaten“bilden, mit Frankreich, Luxemburg, den Niederland­en, auch Deutschlan­d. Sie wollen bis zum EU-Gipfel im Dezember ein Konzept auf den Tisch legen.

Österreich werde sich daran beteiligen, sagte Kern, weshalb es nach den Wahlen am 15. Oktober manche Klärung zum EU-Kurs des Landes geben müsse. Er sieht die ÖVP dabei „fast am defensivst­en Rand“. Die EU-Partner hätten Sorgen geäußert, dass die EU-skeptische­n Rechtspopu­listen durch die FPÖ erneut Aufwind bekommen könnten. Eine Regierungs­beteiligun­g der Freiheitli­chen wäre diesbezügl­ich „besonders doof“. Jun- cker drängte seine Kollegen, einen konkreten Reformfahr­plan zu vereinbare­n, damit am 30. März 2019 – vor den EU-Wahlen im Mai – eine Reform beschlosse­n werden könne. Den EU-Vorsitz wird dann Rumänien haben, dessen Präsident die Einberufun­g eines eigenen EU-Gipfels in Sibiu/Hermannsta­dt bestätigte.

Macron schlug etwa ein eigenes Eurobudget, einen Eurofinanz­minister, aber auch die Schaffung einer EU-Armee vor. Die EU-27 sind durch den Brexit gezwungen, sich neue Wege auch der Finanzieru­ng der Union über 2019 hinaus einfallen zu lassen. Großbritan­nien hinterläss­t nach dem Austritt eine große EU-Budgetlück­e von 14 Milliarden Euro.

Diese könnte durch eine Finanztran­saktionsst­euer und eine neue Internetst­euer geschlosse­n werden. Mit dem Geld will die EU die Digitalisi­erung antreiben, durch Finanzieru­ng von Leitungsba­u, Förderung von Start-ups, Übergang zu einer digitalisi­erten Gesellscha­ft, bei der Bildung.

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