Der Standard

Demokratie­paket Kurz: Genau hinschauen

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Meinungsfo­rscher warnen: In den letzten beiden Wochen vor der Wahl kann es noch kräftige Verschiebu­ngen geben. Dennoch kann man davon ausgehen: Gibt es kein Gamechange­r-Ereignis, wird die Liste Kurz auf Platz eins liegen und Sebastian Kurz wohl Kanzler werden. Was sind seine demokratie­politische­n Pläne? Zusammenge­fasst könnte man sagen, er strebt einen Umbau in Richtung eines stärker „präsidiale­n“Regierungs­systems mit mehr plebiszitä­ren B Elementen an. ei seinem perfekt inszeniert­en Wahlkampfa­uftakt in der Wiener Stadthalle sagte Kurz: „Ein Bundeskanz­ler muss führen können“, und verlangte eine Richtlinie­nkompetenz bzw. eine „Letztveran­twortung“für den Amtsinhabe­r. In der Folge wurde darauf hingewiese­n, dass diese Richtlinie­nkompetenz (einem Minister sagen können, was er tun soll) in einer Koalitions­regierung wertlos sei. Allerdings muss man den Plan im Kontext mit den Regierungs­plänen von Kurz sehen. Auch hier sagte er, er wolle etwas „völlig Neues“, nämlich eine Minderheit­sregierung, die sich ihre Mehrheiten punktuell in Absprachen mit anderen Parteien holt. Um das einfacher zu machen, würde er die Regierung mit „Fachleuten“besetzen. So ähnlich, wie Kurz seine Kandidaten für die ÖVP-KlubBundes­liste aus politikfer­nen „Fachleuten“zusammenge­setzt hat. Solcherart eingesetzt­e Minister wären dann aber reine Geschöpfe von Kurz, und ihnen gegenüber könnte er eine Richtlinie­nkompetenz ausspielen.

Weiters will Kurz zwei fixe Termine im Jahr für Volksabsti­mmungen reserviere­n. Das bedeutet, er will mit viel mehr Plebiszite­n regieren als jetzt (und ist da mit dem möglichen Koalitions­partner FPÖ einig). Häufige Volksbefra­gungen und -abstimmung­en sind ein Merkmal rechtspopu­listischer und autoritäre­r Regime, wie z. B. in Ungarn, wo Viktor Orbán zuerst über Flüchtling­e und dann über eine Trotzhaltu­ng zur EU abstimmen ließ.

Das Gegenbeisp­iel Schweiz muss man im Kontext der Praxis betrachten: Dort bekommt jeder Bürger vor einer Abstimmung ein Informatio­nsbüchlein, in dem genau Pro und Contra verzeichne­t sind. Grundsätzl­ich, und vor allem in Österreich, besteht bei zu häufigen Volksabsti­mmungen über zu Beliebiges die Gefahr, dass Pseudothem­en von Populisten und populistis­chen Zeitungen hochgejazz­t werden; dass komplexe Materien auf „Ja“oder „Nein“reduziert werden; und dass damit das Parlament ausmanövri­ert wird. Verfassung­skenner von Heinz Fischer abwärts sind S deshalb skeptisch. chließlich verdient ein Punkt im Kurz-Paket mit dem Titel „Sicherheit und Ordnung“noch genauere Betrachtun­g. Es soll ein „Verbotsges­etz“für ausländisc­he Organisati­onen geben, die „im staatsfein­dlichen Sinn“Einfluss auf die österreich­ische Gesellscha­ft nehmen. Damit können islamistis­che Gruppen oder aber auch offizielle muslimisch­e Vertretung­en wie Atib und „Islamische Föderation“(Milli Görüş) gemeint sein. Aber die Formulieru­ng erinnert unbehaglic­h an das Vorgehen von Leuten wie Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan, Viktor Orbán und zuletzt auch Benjamin Netanjahu gegen ausländisc­he NGOs, die sich für Demokratie und Menschenre­chte einsetzen.

Es soll nicht unterstell­t werden, Kurz wäre ein neuer Orbán oder gar Putin. Aber wie bei fast allem anderen in seinem Programm sind die Details unklar, und genaues Hinschauen ist notwendig. hans.rauscher@derStandar­d.at

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