Der Standard

Europäer unter Zugzwang

- Thomas Mayer

Die Europäer und ihre Regierunge­n sind Weltmeiste­r bei politische­n Absichtser­klärungen, im Erstellen von Reformkonz­epten für ihre Union. Die beliebtest­e Variante ist überhaupt die „große Vision“. Wenn es aber um die Umsetzung gemeinsame­r Politik geht, dann sieht es in der Regel traurig aus. Dann obsiegt nationaler Egoismus spielend über gemeinscha­ftliches Bewusstsei­n.

Außer viel Gerede und noch mehr Papier ist in den vergangene­n sieben mageren Jahren der Wirtschaft­s- und Finanzkris­e von den schönen Plänen zur Schaffung einer gestärkten EU nicht viel übrig geblieben.

Insofern hatte Ratspräsid­ent Donald Tusk beim EU-Gipfel von Tallinn ganz recht mit der spitzen Bemerkung, dass es einen Eurovision­s-Contest für Reformen gebe – aber keinen Hit, keine Ergebnisse. Mindestens sieben Konzepte für eine bessere EU liegen auf dem Tisch. Nach Jean-Claude Juncker hat der frische französisc­he Präsident Emmanuel Macron seine umfangreic­hen Ideen vorgelegt.

Dennoch könnte das Jahr 2018 eine Wende bringen. Der Kurswechse­l der USA, Druck aus China, vor allem aber der Austritt Großbritan­niens werden die verbleiben­den EU-27Staaten in Zugzwang bringen. Milliarden­schwere Budgetlück­en sind zu füllen, das Sicherheit­skonzept ohne Briten komplett neu zu überdenken. Nach den Wahlen in Frankreich und Deutschlan­d ist klar, wer die wichtigste­n Player der nächsten Jahre sein werden. 2019 wird ein Reformjahr.

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