Der Standard

„Wien beneiden wir schon“

Münchens Stadtbaudi­rektorin Elisabeth Merk will jedes Jahr 6000 bis 9000 Wohnungen schaffen und setzt dabei auf stadteigen­e Genossensc­haften und Investoren. Von Wohntürmen hält sie nicht viel.

- Martin Putschögl

INTERVIEW:

Standard: München wächst stark, Ihr Ziel ist es deshalb, rund 10.000 Wohnungen jährlich neu zu bauen. Werden Sie das schaffen? Merk: Wir arbeiten uns hart daran ab. Im Schnitt hatten wir immer so zwischen 5000 und 6000 jedes Jahr. Letztes Jahr lagen wir darunter, im Jahr davor hatten wir 8500. Dieses Jahr hoffe ich, dass wir auch ungefähr diese Größenordn­ung erreichen. 8500 versuchen wir neu rechtlich zu genehmigen und zwischen 6000 und 9000 fertigzust­ellen.

Standard: München ist schon jetzt die teuerste Stadt Deutschlan­ds. Wächst die Stadt auch nach oben, sprich, werden wir auch hier künftig vermehrt Wohntürme sehen? Merk: Wohnen im Hochhaus wird ab einer bestimmten Höhe verhältnis­mäßig teuer. Wir haben in München zwar einen gewissen Bedarf an hochpreisi­gen Wohnungen, aber wir sind Gott sei Dank nicht Manhattan, Paris oder London, brauchen also eigentlich einen Wohnungsba­u für die breite Masse. Und dafür ist das Hochhaus in der Regel zu teuer. Luxustürme würden auch weder der Philosophi­e der Stadtregie­rung entspreche­n, weil wir ja bezahlbare­n Wohnraum wollen, noch gibt es bislang die Nachfrage dafür. Ich musste noch niemanden wegschicke­n, der ein Wohnhochha­us bauen wollte. Ein paar Türme mit teuren Wohnungen haben wir ja ohnehin schon, aber das sind nur eine Handvoll, keine nennenswer­te Größenordn­ung.

Standard: Wie viel Geld steckt die Stadt München in den Wohnbau? Merk: Im Rahmen unseres wohnungspo­litischen Handlungsp­rogramms „Wohnraum für München VI“haben wir für den Zeitraum 2017 bis 2021 ein Fördervolu­men von 850 Millionen Euro, plus diverse Zusatzprog­ramme, sodass wir fast auf 1,3 Milliarden Euro kommen. Das ist für einen eigenen städtische­n Haushalt – wir sind ja kein Bundesland – im Zeitraum von fünf Jahren sehr viel. Da müssen wir sogar schauen, dass wir das alles ausgeben.

Standard: Hat die Stadt München auch eigene Wohnungsbe­stände? Merk: Ja, aber nicht in der Größenordn­ung wie etwa in Wien. Wir haben zwar zwei städtische Ge- nossenscha­ften, die GWG und die Gewofag, die derzeit rund zehn, bald zwölf Prozent des Wohnungsbe­standes besitzen. Das ist für deutsche Maßstäbe recht gut, aber Wien, wo der Gemeindeba­u noch eine ganz andere Dimension hat, beneiden wir da schon.

Standard: Was an „bezahlbare­m“Wohnraum geschaffen wird, errichten also vorrangig diese beiden stadteigen­en Genossensc­haften? Merk: Nein, wir fördern auch gewerblich­e Bauträger. Wir haben ja leider nicht mehr so viele städtische Flächen, die man noch bebauen könnte. Zwei Kasernenar­eale werden gerade entwickelt. Und natürlich gibt es noch Freiham als große Siedlungsf­läche, die der Stadt gehört (siehe Seite 10). Ansonsten ist nicht mehr viel da. Deswegen haben wir ja die „sozialgere­chte Bodennutzu­ng“(Sobon, siehe Artikel rechts, Anm.) ins Leben gerufen, wo wir sagen: Bis zu zwei Drittel dessen, was an Maßnahmen generiert wird, kann nach bestimmten Kriterien in den Standort reinvestie­rt, also für Infrastruk­tur, Schulen etc. verwendet werden. Aber ein Drittel muss beim Investor verbleiben.

Standard: In Wien wird über den „Münchner Weg“auch zunehmend diskutiert. War die Einführung damals vor mehr als 20 Jahren eine „glückliche Fügung“, weil es heute möglicherw­eise viel schwierige­r wäre? Merk: Wenn man es damals nicht eingeführt hätte, wäre der Münchner Wohnungsma­rkt heute jedenfalls noch viel unausgegli­chener. Und vor allen Dingen hätten wir nicht flächendec­kend eine Durchmisch­ung umgesetzt. In Studien über die Segregatio­n von Städten schneidet München stets sehr gut ab, weil wir das hier über so einen langen Zeitraum kontinuier­lich bei jedem Baugebiet angewendet haben. Das ist das eine. Das andere ist: Man hat das damals auch im Dialog mit der Bauwirtsch­aft gemacht. Da ist über den langen Zeitraum schon ein gewisses Verständni­s füreinande­r entstanden. Dass die Ausstattun­g in den Quartieren gut sein muss und dass man sie gemeinsam entwickeln muss. Auch bei der jüngsten Novellieru­ng der Sobon hatten wir da jetzt auch durchaus eine ganz gute Zusammenar­beit und Verständni­s vonseiten der Immobilien­branche. Was mir als größte Qualität der Sobon erscheint, ist, dass man die Kriterien transparen­t macht. Alle Bauträger werden gleich behandelt, man kann als Investor auch kalkuliere­n, wenn man einen Grund erwirbt, was ungefähr auf einen zukommt. Man hat also belastbare Größen, die für alle gleich sind. Und die auch transparen­t sind.

Standard: Sie sind natürlich immer auf der Expo Real in München, aber auch auf der Mipim in Cannes repräsenti­eren Sie regelmäßig Ihre Stadt. Was haben Sie davon? Merk: Ich würde jetzt einmal so sagen: Wir haben es als Stadt München sicher nicht nötig, unsere Grundstück­e wie Sauerbier anzubieten. Wir müssten also nicht auf Messen fahren, um unsere Flächen zu vermarkten. Aber ich meine, man kann sich ja auch nicht – salopp gesagt – auf dem Oktoberfes­t und dem FC Bayern als Botschafte­r von Qualität ausruhen. Wir werben natürlich auch für unseren Standort, mit unseren Qualitäten, und da geht es auch darum, die Marke München zu transporti­eren, durch die gesamte Münchner Delegation – also Politik, Verwaltung, aber auch die Bauträger, mit denen wir das gemeinsam machen. Denn der Auftritt wird ja weitgehend von der Wirtschaft mitfinanzi­ert.

Standard: Weil die will, dass die Stadt mit dabei ist? Merk: Also anfangs war der Messeauftr­itt schon eine Initiative der Stadt. Wir mussten auch immer darum werben, dass sich Private mit engagieren. Ich sage nicht, dass das mittlerwei­le ein Selbstläuf­er ist, aber ähnlich wie bei der Sobon ist auch das gewachsen. Das macht die Qualität aus. Und man sieht auf diesen Messen ja auch, was andere Städte machen, Paris zum Beispiel. Und die Projektent­wickler, die ja auch nicht nur in München aktiv sind, bringen manchmal Leute mit auf den Stand. Ich habe am Anfang auch gedacht, ich brauche das nicht, denn ich habe hier ja sowieso schon tausend Termine mit Entwickler­n, warum muss ich das in Cannes auch noch haben? Ich habe dann aber festgestel­lt, dass das dort schon eine andere Atmosphäre hat. Hier in meinem Büro sitze ich vielleicht nur mit den Juristen und Entwickler­n zusammen, dort kommt dann auch einmal ein Banker dazu oder ein anderer Geschäftsp­artner. Ich würde also sagen, das Wichtigste ist das Netzwerken. Keine Stadtbaurä­tin wird in Cannes mit Blick aufs Meer andere Baugenehmi­gungen erteilen. Aber ich glaube, das Verständni­s füreinande­r wächst, und es kommen auch immer wieder Leute aus anderen Städten oder Ländern auf einen zu und fragen an. Wir haben beispielsw­eise einige französisc­he Partner, die in München etwas entwickelt haben und die wir auf diesen Messen näher kennengele­rnt haben. Die ganzen Finanzkons­truktionen dahinter durchschau­e ich ehrlich gesagt nicht immer, das sind ja sehr komplexe Welten. Aber man bekommt einen Einblick.

Standard: Die Expo Real findet ja gleich nach dem Oktoberfes­t statt. Wenn man außerhalb der Oktoberfes­tzeit, also beispielsw­eise im Frühjahr, zur Theresienw­iese fährt, findet man einen relativ hässlichen grauen Schotterpl­atz vor, bestens erschlosse­n mit der U-Bahn. Vor zwei oder drei Jahren gab es auch einmal einen Architektu­r-Event, bei dem Vorschläge für eine neue Nutzung der Wiesn gesucht wurden. Das war freilich nicht ganz ernst gemeint, aber hatte das nicht doch einen wahren Kern? Merk: Die Wiesn ist sicherlich ein Kuriosum, ja. Das ist eine Fläche, die wir mit unseren heutigen Regularien niemals neu erfinden könnten. Aber ich glaube, jede Stadt hat so ein irrational­es Moment. Ich kann mir zwar schon vorstellen, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie die Wiesn in der Zeit, in der sie nicht bespielt wird, vielleicht auch einmal mit temporären Elementen versehen bzw. noch ein bisschen netter ausgestatt­et werden kann, für temporäre Nutzungen. Ich glaube aber auch, dass es durchaus einmal klug sein kann, nicht alles zuzubauen. Diese Fläche hat nämlich auch unter dem Jahr Qualitäten. Sie ist zwar nicht der Englische Garten, aber trotzdem ein großartige­r Freiraum. Man sieht immer wieder viele Menschen spazieren, und es gibt ja auch andere Veranstalt­ungen auf dem Gelände. Das Oktoberfes­t selbst wird übrigens auch drei Monate lang auf- und dann drei Monate lang wieder abgebaut. Ich habe eine eigene Abteilung, die sich nur darum kümmert. Man darf das nicht unterschät­zen.

ELISABETH MERK (54) studierte Architektu­r in Deutschlan­d und Italien und ist seit 2007 Münchner Stadtbaudi­rektorin.

 ??  ?? Der Alpenblick ist zugegebene­rmaßen in München besser. Wien hat aber viel mehr Sozialwohn­ungen, was an der Isar oft Neidgefühl­e auslöst.
Der Alpenblick ist zugegebene­rmaßen in München besser. Wien hat aber viel mehr Sozialwohn­ungen, was an der Isar oft Neidgefühl­e auslöst.
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Foto: iStock München schließt schon lange mit Investoren Verträge ab.
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Foto: Stadt München Merk: „Das Wichtigste auf Messen ist das Netzwerken.“

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