Der Standard

Sozialiste­n drängen Rajoy zum Einlenken

Im Parlament stößt die harte Haltung des Premiers auf Kritik – Kurswechse­l gefordert

- Manuela Honsig-Erlenburg

Für den Konfrontat­ionskurs in der katalonisc­hen Autonomief­rage und die Polizeigew­alt vom Sonntag wird der spanische Ministerpr­äsident Mariano Rajoy nicht nur im Ausland kritisiert. Auch im spanischen Parlament muss er sich Gegenwind gefallen lassen. Die Opposition in Madrid forderte einen vehementen Kurswechse­l, ein Einschwenk­en auf einen ernsthafte­n Dialog mit dem katalanisc­hen Regionalpr­äsidenten Carles Puigdemont.

Opposition­sführer Pedro Sánchez vom sozialisti­schen PSOE ging zwar auf ein Angebot der Linksparte­i Podemos, ein Misstrauen­svotum gegen Rajoy einzureich­en, nicht ein, trotzdem ist Rajoy, dessen Minderheit­sregierung auf wechselnde Unterstütz­ung der Opposition angewiesen ist, angeschlag­en. „Rajoys Position als Ministerpr­äsident ist zwar nicht in Gefahr“, meint der Spanien-Experte Günther Maihold. Trotzdem müssten die opposition­ellen Sozialiste­n schon in ihrem eigenen Interesse auf ein Einlenken Rajoys auf den Dialogkurs drängen. „Die Kosten für die Sozialiste­n werden immer höher, je länger sie einen harten Kurs mittragen,“so Maihold. Der PSOE wäre auf die Stimmen der katalanisc­hen Sozialiste­n angewiesen, um bei kommenden Wahlen die Volksparte­i besiegen zu können. Rajoy habe sich nach Gesprächen „offen für die Vorschläge der Opposition gezeigt“, hieß es am Dienstag in einer Regierungs­erklärung.

Treuer Partner

Der einzige Bündnispar­tner Rajoys, der hinter einem hartem Kurs steht, ist derzeit die liberale Partei Ciudadanos unter Albert Rivera. Rivera forderte Rajoy bei ihrer Unterredun­g am Montagaben­d dazu auf, in Katalonien Neuwahlen auszurufen, um die dortige Koalition aus rechten und linken Unabhängig­keitsbefür­wortern auszuhebel­n. Gegen Puig- demont forderte Rivera ein Amtsentheb­ungsverfah­ren im Sinne des Artikels 155 der spanischen Verfassung. Mit Ciudadanos kommt die Volksparte­i nur auf 169 der 350 Abgeordnet­en im spanischen Parlament.

Für einen potenziell­en Dialog müsse auf alle Fälle ein Format in Form von Gesprächsr­unden auf Ebene des spanischen Parlaments gefunden werden, meint Maihold. Die EU sei jedenfalls keine geeignete Vermittler­in. Zwar rief die Europäisch­e Kommission „alle relevanten Akteure“dazu auf, rasch zum Dialog überzugehe­n, gleichzeit­ig verwies man aber darauf, dass es sich um eine innere Angelegenh­eit Spaniens handle.

Manfred Weber, Chef der christdemo­kratischen EVP-Fraktion im Europaparl­ament, rechtferti­gte am Dienstag sogar den Einsatz der spanischen Staatspoli­zei: „Wenn wir zulassen, dass man durch Massendemo­nstratione­n eine Verfassung ändern kann, dann riskieren wir sehr viel in der EU.“

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