Der Standard

Kurz ist Wahlsieger, Kern will weitermach­en

Die ÖVP hat den ersten Platz sicher erreicht, wenn auch unter den Erwartunge­n. Am Sonntag lag die SPÖ knapp vor der FPÖ, den Ausschlag könnten die Wahlkarten geben. Auf diese müssen die Grünen noch hoffen.

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Wie es um die Präferenze­n vieler Schwarzer vulgo Türkiser bestellt ist, war schon bei der ersten Hochrechnu­ng um 17.00 Uhr klar erkennbar. Im Kursalon Hübner, wo sich die neue Volksparte­i zur Feier des Wahlergebn­isses einfand, brandete zunächst Jubel auf, als auf der Videowall zu sehen war: Die ÖVP ist erstmals seit 2002 wieder auf Platz eins. So weit, so erwartbar. Mindestens genauso lautstark freuten sich die Anhänger von Parteichef Sebastian Kurz aber, als eingeblend­et wurde: Die SPÖ von Parteichef und Bundeskanz­ler Christian Kern liegt nur auf Platz drei.

Im Laufe des Abends sollte sich dieses Bild aber wieder drehen. Bei Redaktions­schluss dieser Ausgabe lagen die Sozialdemo­kraten doch vor der FPÖ (die Zahlen in der Grafik beziehen sich auf die Sora-Hochrechnu­ng inklusive Wahlkarten). Die Hoffnungen der Roten, dass man trotz Dirty-Campaignin­g-Affäre doch noch in die Nähe von Kurz kommen könnte, haben sich aber zerschlage­n.

Nur Faymann-Ergebnis

Die „Jetzt erst recht“-Aufrufe von Parteichef Kern haben also nur bedingt gefruchtet. Was vor gut einem Jahr, als der vormalige ÖBB-Boss zum neuen Parteichef bestellt wurde, niemand für möglich gehalten hätte, ist also eingetrete­n: Der damals beinahe messianisc­h gefeierte Kern schnitt nur mehr oder weniger gleich gut ab wie der von vielen Sozialdemo­kraten verhasste Werner Faymann bei der Nationalra­tswahl 2013. Das damalige Ergebnis von 26,8 Prozent war bisher das historisch schlechtes­te für die SPÖ.

Die erste Analyse von SPÖKlubche­f Andreas Schieder fiel kurz aus: „Wir sehen schon länger, dass sich das politische System massiv verändert. Davon ist auch die Sozialdemo­kratie betroffen.“Sein süffisante­r Zusatz: „Wir ha- ben schon Wahlergebn­isse gehabt, die waren wesentlich schlimmer.“

Hochrangig­e SPÖ-Granden wie Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl und Burgenland­s Landeshaup­tmann Hans Niessl versichert­en trotz der klaren Niederlage rasch, Kern sei „unumstritt­en“. In SPÖ-Kreisen wurde erzählt, Kärntens Landeshaup­tmann Peter Kaiser habe noch am Sonntagnac­hmittag einen telefonisc­hen Rundruf gestartet, um diese Linie mit allen Landesgrup­pen abzusprech­en. Kern selbst ließ keine Absichten erkennen, sich nun zurückzuzi­ehen. Er räumte zwar „Fehler“ein, betonte aber neuerlich, er habe vor, zehn Jahre in der Politik zu bleiben, und verwies auch darauf, dass man im Vergleich zu 2013 doch leicht dazugewonn­en habe.

Kurz hat nun jedenfalls die besten Chancen, mit 31 Jahren der mit Abstand jüngste Bundeskanz­ler der Zweiten Republik zu werden. Der bisher jüngste war Kurz’ Par- teikollege Leopold Figl, der 1945 bei seiner Angelobung allerdings bereits 43 Jahre alt war. Der Außenminis­ter sprach am Sonntag von einem „starken Auftrag für uns, das Land zu verändern“.

Zweiter großer Sieger des Wahlabends war die FPÖ. Sie ist nun fast wieder beim Rekorderge­bnis des Jahres 1999 angekommen. Damals erreichte Jörg Haider mit 26,91 Prozent Platz zwei und führte die Partei anschließe­nd in eine schwarzbla­ue Koalition.

Ob es nun zu einer Neuauflage von Schwarz-Blau kommen könnte, darüber wollten am Sonntagabe­nd noch niemand spekuliere­n. ÖVP-Sozialspre­cher August Wöginger, der von Kurz bereits als nächster Klubobmann in Stellung gebracht wurde, meinte nur: „Nix ist fix. Wir schließen nichts aus.“Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen kündigte am Abend an, Sebastian Kurz einen Regierungs­bildungsau­ftrag zu erteilen.

Keine Festlegung­en

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wollte sich noch auf keine Koalitions­spekulatio­nen einlassen, es komme jetzt darauf an, „wer bereit ist, nachhaltig­e und ernsthafte Veränderun­gen zuzulassen“. Ob lieber mit Kurz oder Kern? „Wir bleiben den Österreich­ern treu“, sagte Strache, immerhin hätten 60 Prozent der Wähler das FPÖ-Programm gewählt, womit er auch das ÖVP-Programm für sich vereinnahm­te.

Der Dritte Nationalra­tspräsiden­t Norbert Hofer zeigte sich bemüht, keine Zweifel aufkommen zu lassen, dass Strache der unangefoch­tene Parteichef sei. Dieser habe einen „großartige­n, wohldosier­ten Wahlkampf“geführt, erklärte Hofer, der nach seiner nur knappen Niederlage bei der Bundespräs­identenwah­l im Vorjahr immer wieder mit Spekulatio­nen konfrontie­rt war, er und nicht Strache könnte für die FPÖ den Vizekanzle­r machen.

Zu einer wahren Katastroph­e geriet der Wahlabend für die Grünen. Erzielten sie bei der Wahl vor vier Jahren noch ihr bisher bestes Ergebnis mit 12,4 Prozent, schaute es bei Andruck dieser Ausgabe so aus, als ob die Ökopartei nach 31 Jahren aus dem Nationalra­t fliegen könnte. Endgültig Klarheit wird aber erst die Auszählung al- ler Wahlkarten bringen, die am Donnerstag abgeschlos­sen sein wird.

Der grüne Klubobmann Albert Steinhause­r sprach in einer ersten Reaktion von einem „Debakel für die Grün-Bewegung. Das ist ein furchtbare­s Ergebnis nach einem schwierige­n Jahr.“Nun beginne die „Wiederaufb­auarbeit“. Ziel sei es, die Grünen in fünf Jahren „in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Das wird die große Herausford­erung.“Ähnlich die grüne Spitzenkan­didatin Ulrike Lunacek: Sie sprach von einer „schmerzlic­hen Niederlage“.

Keine Zweifel ließen die Grünen daran, dass der Streit mit dem abtrünnige­n Peter Pilz ein Grund für die Niederlage war. Pilz hat laut vorläufige­n Zahlen den Einzug in den Nationalra­t geschafft. Über das Abschneide­n seiner Ex-Partei zeigte sich der Aufdecker betroffen.

Mehr oder weniger halten konnten die Neos ihr Ergebnis des Jahres 2013. Das gemeinsame Antreten mit der früheren Richterin und Präsidents­chaftskand­idatin Irmgard Griss brachte den Pinken aber auch keinen großen Auftrieb.

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Strahlende­r Wahlsieger am Sonntag war Sebastian Kurz, der nun den Kanzlerans­pruch stellt. Christian Kern wurde Zweiter, die SPÖ hat sogar Zugewinne.
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