Der Standard

Nach dem Wahlchaos Angst vor Gewalt

Kenias Präsident Uhuru Kenyatta kann sich nach der Wahl vom Donnerstag auf einen fulminante­n Sieg berufen. Doch dieser wird durch den Boykott der Opposition, die niedrige Beteiligun­g und Sorge vor Ausschreit­ungen getrübt.

- Johannes Dieterich

Nairobi/Johannesbu­rg – Die Hoffnung, dass die Wiederholu­ng der Präsidents­chaftswahl­en in Kenia die politische Krise in dem ostafrikan­ischen Staat abschwäche­n könnte, hat sich zerschlage­n. Drei Tage nach dem Urnengang am Donnerstag deutet sich zwar an, dass der amtierende Präsident Uhuru Kenyatta die Abstimmung mit einer Mehrheit von über 90 Prozent für sich entscheide­n konnte. Doch da sein Herausford­erer Raila Odinga den Wahlgang boykottier­t hat, kommt diesem Ergebnis nur eine untergeord­nete Bedeutung zu.

Vielsagend­er ist, dass vermutlich weniger als ein Drittel der Stimmberec­htigten zu den Urnen gegangen ist: Kenyatta hatte auf eine Wahlbeteil­igung von mindestens 50 Prozent gehofft. Beim ursprüngli­chen Votum vom August, das später vom Höchsten Gerichtsho­f des Landes für ungültig erklärt wurde, hatten noch rund 80 Prozent der wahlberech­tigten Kenianerin­nen und Kenianer ihre Stimme abgegeben.

Die niedrige Wahlbeteil­igung höhlt die Legitimitä­t aus, die sich Kenyatta von dem Urnengang versprach. Problemati­sch ist vor allem der Umstand, dass in 3600 von fast 41.000 Wahllokale­n überhaupt nicht gewählt wurde: In vier Distrikten im Westen des Landes blieben am Donnerstag sämtliche Abstimmung­slokale geschlosse­n. Die unabhängig­e Wahlkommis­sion hatte zunächst angeordnet, dass die Abstimmung dort am Samstag nachgeholt werden sollte. Doch die Entscheidu­ng wurde aus Furcht vor gewalttäti­gen Protesten am Freitag wieder zurückgeno­mmen. Der Westen des Landes, das Siedlungsg­ebiet der Luo, gilt als Hochburg der Opposition.

Wieder Klage gegen die Wahl

Die Tatsache, dass die Wahl in Teilen des Landes gar nicht stattfand, öffnet auch die Tür für neue rechtliche Schritte gegen den Urnengang. Die kenianisch­e Verfassung schreibt nämlich vor, dass die Abstimmung „in allen Wahlbezirk­en“stattfinde­n müsse. Ein der Opposition nahestehen­der Aktivist reichte bereits Klage gegen den Urnengang ein. Der Höchste Gerichtsho­f muss außerdem noch über einen Antrag von vor der Wahlwieder­holung entscheide­n, der vertagt werden musste, weil nur zwei der sieben Richter anwesend waren.

Opposition­schef Odinga kündigte bereits an, die Neuaustrag­ung der Wahl nicht anzuerkenn­en. Sein Wahlbündni­s, die Nationale Super-Allianz (Nasa), werde in eine „Widerstand­sbewegung“umgewandel­t, sagte Odinga. Heute, Montag, will der Opposition­schef die künftige Strategie der Nasa bekanntgeb­en. Beobachter vermuten, dass der Politiker und Geschäftsm­ann unter anderem auch zu einem Boykott der von Kenyatta und anderen Kikuyu-Politikern geführten Geschäfte aufruft. Die seit drei Monaten anhaltende­n Unruhen hätten die Volkswirts­chaft bereits sieben Milliarden US-Dollar gekos- tet, gab „Kenias Allianz der Privatwirt­schaft“letzte Woche bekannt.

Unterdesse­n halten die Proteste in dem knapp 50 Millionen Einwohner zählenden Staat unverminde­rt an. Seit den Wahlen am Donnerstag kamen bei Unruhen sowohl in der westkenian­ischen Provinzhau­ptstadt Kisumu als in den von Luo bewohnten Slums der Hauptstadt Nairobi mindestens neun Menschen ums Leben. Im Slum Kawangware standen einander in der Nacht auf Samstag mit Knüppeln und Macheten bewaffnete Gangs gegenüber, viele Geschäfte gingen in Flammen auf. Das gibt den Befürchtun­gen auftrieb, dass die Spannungen wie vor zehn Jahren wieder in ethnisch motivierte Gewalt übergehen könnten: Damals kamen mehr als 1200 Menschen ums Leben.

 ??  ?? Im Slum Mathare der Hauptstadt Nairobi sind am vergangene­n Donnerstag nur die wenigsten Menschen zur Wahl gegangen – ihr Kandidat, Raila Odinga, hatte zum Boykott des Votums aufgerufen.
Im Slum Mathare der Hauptstadt Nairobi sind am vergangene­n Donnerstag nur die wenigsten Menschen zur Wahl gegangen – ihr Kandidat, Raila Odinga, hatte zum Boykott des Votums aufgerufen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria